Zwielicht in Cordoba
gefährlich. Vielleicht gerieten wir in ernsthafte Schwierigkeiten, und das hatte Placidus nicht verdient. Ich vielleicht auch nicht, aber zumindest hatte ich eine gewisse Vorstellung davon, was mich erwartete, und außerdem war es mein Beruf.
Diese engen Gassen mit den überfüllten Wohnhäusern besaßen weder fließendes Wasser noch Kanalisation. Unzureichende Abflußrinnen im Straßenpflaster zwischen den schäbigen Häusern dienten zum Ablauf des Unrats. Bei schlechtem Wetter waren sie garantiert verstopft. Selbst bei Sonnenschein stanken sie. Alles wirkte düster und heruntergekommen. Eine mitleiderregend dünne Ziege war an einen Pfahl im Hof der Imbißbude gebunden. Fliegen umkreisten uns mit wütendem Sirren. Irgendwo schrie ein Baby auf das Jämmerlichste.
»Sie tragen nicht zufällig eine Waffe bei sich, Placidus?«
»Sie machen wohl Witze. Ich bin Prokurator, Falco! – Sind Sie bewaffnet?«
»Ich habe ein Schwert mit nach Hispalis gebracht, aber da ich nicht erwartet hatte, dem Mädchen so nahezukommen, habe ich es in der Herberge gelassen.«
Unser Platz war nicht gerade ideal. Er war zwar die einzige Möglichkeit, die Wartezeit zu verbringen, aber die Gasse davor war so schmal und so verwinkelt, daß wir nur wenig von ihr sehen konnten. Die wenigen Leute, die vorbeikamen, warfen uns mißtrauische Blicke zu. Wir blieben, wo wir waren, versuchten so auszusehen, als sei unser Kinn nicht rasiert, und sprachen nach Möglichkeit nicht, wenn uns jemand in die Nähe kam. Unseren römischen Akzent brauchte niemand mitzukriegen.
Gegenüber gab es einige traurige Läden. In einem davon zimmerte ein Mann an einem groben Möbelstück herum. Alle anderen Läden waren geschlossen, und die Türen lehnten im schiefen Winkel davor. Sie sahen verlassen aus, waren aber vielleicht nur zu bestimmten Zeiten geöffnet. Wer in dieser Gegend als Handwerker arbeitete, konnte nur ein Mann sein, der jede Hoffnung aufgegeben hatte.
Nach einer Weile ging der Freund des Kellners, und zwei kichernde Mädchen traten ein. Sie setzten sich auf eine Bank und bestellten nichts, himmelten aber den Kellner an, der jetzt genug Zeit hatte, ihre Aufmerksamkeit zu genießen. Er hatte extrem lange Wimpern. Helena hätte gesagt, das käme davon, weil er den Frauen zu oft schöne Augen machte. Nach kurzer Zeit huschten die Mädchen plötzlich davon, dann tauchte ein stämmiger, krummbeiniger Mann auf, der ihr Vater sein konnte, und sah sich den Kellner von oben bis unten an. Auch er ging, ohne etwas zu sagen. Der Kellner säuberte sich die Fingernägel mit dem Messer, das er benutzt hatte, um unser Brot zu schneiden.
Ein Rotschopf kam vorüber und warf dem Kellner ein Lächeln zu. Ich habe eine starke Abneigung gegen Rotschöpfe, aber dieser war es wert, genauer hinzusehen. Wir saßen außerhalb ihres Blickfeldes, also konnten wir die Ware unauffällig prüfen. Sie war ein Mädchen, die das Beste aus sich machte: Eine gut ausgefüllte weiche grüne Tunika über Riemchensandalen, baumelnde, klirrende Sichelohrringe, ein kalkweißes, an den Wangenknochen mit etwas Purpur betontes Gesicht, mit schwarzen Holzkohlenstrichen umrahmte und dadurch größer wirkende Augen und das kupferfarbene Haar in einem kunstvollen Zopfgeflecht. Ihre Augen waren besonders bemerkenswert. Ihr schwingender Gang war selbstbewußt, und unter dem Saum ihres Rockes kamen klirrende Fußkettchen zum Vorschein. Sie sah aus, als würde sie für die richtige Bezahlung auch die dazugehörenden Knöchel zeigen, plus der Knie und allem anderen.
Diese Erscheinung hatte ich noch nie gesehen – auch wenn das Beste an ihr die rollenden braunen Augen waren, die mir bekannt vorkamen. Zudem vergesse ich nie die Formen einer Frau, mag sie bei der zweiten Begegnung auch noch so andersartig aufgezäumt und bekleidet sein. Als das Mädchen irgendwo gegenüber verschwand, trank ich in Ruhe meinen Becher leer. Ohne jede Aufregung sagte ich zu Placidus: »Ich geh rüber und schau noch mal nach Selia. Sie bleiben hier und halten mir den Platz warm.«
Dann hakte ich die Daumen lässig in den Gürtel und schlenderte hinüber zur Pension.
XLVIII
Die dicke Frau war weg. Auch sonst war niemand zu sehen.
Das Gebäude stand auf einem langen, schmalen Grundstück mit der Stirnseite zur Straße. Es hatte zwei Stockwerke, und die Veranda ging in einen kleinen Innenhof mit Brunnen über. Er war eng genug, in der heißen Jahreszeit die Sonne abzuhalten. In regelmäßigen Abständen hingen
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