Zwielicht in Cordoba
Dickschädel unterschätzt. Dem Oberspion nur den Kopf einzurammen, wird schlimmere Konsequenzen haben, als wenn ihr ihn auf der Stelle getötet hättet.«
»Du arbeitest doch nicht für Anacrites?« Sie klang überrascht.
»Ihr habt ihm nur ein bißchen Kopfschmerzen verpaßt. Nach ein oder zwei Tagen war er wieder bei der Arbeit. Aber du hast recht. Anacrites ist nicht mein Auftraggeber. Ich arbeite für einen Mann namens Laeta …« Ich meinte, ein leichtes Zucken zu spüren. »Halt still, hab ich gesagt.«
»Warum?« höhnte Selia. »Wovor fürchtest du dich?«
»Vor nicht allzuviel. Auch ich bin Profi. Hübsche nackte Frauen auf Tische zu drücken, hat seine Vorzüge – aber insgesamt gesehen mag ich meine Frauen lieber richtig herum und auf jeden Fall zärtlich.«
»Oh, ein Mann mit Herz!«
»Ein totaler Softie. Aus diesem Grund liegst du mit dem Gesicht nach unten auf einem Holztisch, hast überall blaue Flecken und mein Messer an den Rippen.«
»Du bist ein Idiot«, teilte sie mir mit. »Du hast keine Ahnung in was für einem Schlamassel du steckst. Ist dir noch nicht aufgegangen, daß ich auch für Claudius Laeta arbeite – genau wie du?«
Das klang nur allzu plausibel. Ich zog es vor, nicht darüber nachzudenken. Es gab keinen unmittelbaren Grund, das zu tun: Wir beide hörten auf, uns über unseren hinterhältigen Arbeitgeber auszutauschen. Zwei Dinge geschahen. Ich hatte nicht gemerkt, daß ich meinen Griff um den Hals der Tänzerin gelockert hatte, aber irgendwie zappelte sie plötzlich und wand sich seitlich unter mir heraus. Dann zuckte ich zusammen vor Schmerz. Jemand hatte mich von hinten am Haar gepackt und riß mich zurück.
L
»Ich dachte, ihr würdet nie mehr kommen!« fauchte das Mädchen verärgert.
Der Kerl zerrte immer weiter an meinen Haaren, bis sich mein Körper, gespannt wie die Wurfschlinge eines Felsbrocken schleudernden Artilleristentrottels, nach hinten bog. Als mir das klar war, reagierte ich. Haare wachsen wieder. Mit einem gewaltigen Ruck bekam ich meinen Kopf frei. Dabei verlor ich bestimmt eine Handvoll meiner hübschen Locken, aber jetzt konnte ich mich bewegen. Obwohl mir die Tränen aus den Augen schossen, hieb ich wie wild um mich. Natürlich packte der Bursche als erstes mein Handgelenk, genau wie ich es zuvor mit Selia gemacht hatte, damit sie das Messer fallen ließ. Er stand hinter mir, also stieß ich mit den Ellbogen zurück, um ihn abzuwehren.
Schläge hagelten auf meinen Rücken und meine Nieren nieder, dann hörte ich, wie noch jemand den Raum betrat. Das Mädchen rieb sich derweilen die blauen Flecken und suchte nachlässig nach einer Tunika, als wären wir anderen nur Fliegen, die um den Fensterrahmen summten. Ihre Leibwächter erledigten jetzt die Arbeit für sie.
Es gelang mir, freizukommen. Ich wirbelte herum, damit ich meine Angreifer sehen konnte: die zwei dunkelhäutigen Musiker vom Essen auf dem Palatin. Der ältere war es, der mich angegriffen hatte. Er war noch drahtig genug und voller Bösartigkeit und Energie. Der andere, jüngere war stämmig, muskulös und ebenso bösartig. Ich steckte tief in der Tinte. Dies waren die Männer, die Valentinus’ Schädel zertrümmert und Anacrites halbtot auf der Straße hatten liegen lassen. Ich kämpfte also um mein Leben.
»Macht ihn fertig!« befahl Selia. Sie hatte sich etwas über den Kopf gestreift, ließ es aber noch um den Hals baumeln. Die zwei Schläger wurden offenbar gut bezahlt von ihr. Wie sie aussahen, waren sie nicht nur bereit, für sie zu töten, sondern würden es auch noch genießen. Und da sagt man immer, Musik habe eine läuternde Wirkung! Ging man von diesen beiden aus, war Apollo ein Verbrecher.
Das Zimmer war zu klein für uns alle vier. Wir standen so eng beieinander, daß wir den Atem des anderen riechen konnten. Impulsiv packte Selia selbst meinen Messerarm und biß hinein. Auch die anderen beiden warfen sich auf mich, und da ich mich auf so engem Raum nicht gegen drei gleichzeitig wehren konnte, hatten sie mich bald überwältigt. Selia schnappte sich meinen Dolch. Ihre Helfer hielten meine Arme brutal umklammert. Sie wollten gerade Anlauf nehmen, um mich mit dem Kopf voraus gegen die hintere Wand zu donnern, als das Mädchen sie anfuhr: »Aber doch nicht hier drinnen!« Eine Frau mit Geschmack: Sie scheute davor zurück, mein Hirn über ihr Wohnzimmer verspritzt zu sehen.
Während sie mich zur Tür stießen, knurrte ich verärgert: »Sag mir nur eines, Selia – wenn wir
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