Zwielicht in Cordoba
oder war sich dessen zumindest nicht bewußt. Er meinte, daß Männer sich zwar gern Tänzerinnen ansahen, aber die Namen der Mädchen nicht erfuhren. Offenbar hatte er ein unschuldigeres Leben geführt als ich.
»Und wie paßt sie in das Ganze, Falco?«
»Ich habe Hinweise gefunden, daß sie und ihre afrikanischen Musiker in Rom die Überfälle auf Anacrites und seinen Agenten verübt haben.«
»Was hatte sie gegen die beiden?«
»Nichts Persönliches vermutlich. Ich denke, daß jemand sie dafür bezahlt hat. Wenn ich sie finde, will ich versuchen, aus ihr herauszuholen, wer es war. Und falls sein Name zufällig einer jener ist, über die wir gesprochen haben, dann werden Sie und der Prokonsul glückliche Männer sein.«
Ich nannte ihm die Adresse, die mir die beiden Transportmagnaten genannt hatten. Placidus meinte, sie befände sich in einem gefährlichen Viertel – aber unser Gespräch hatte ihn so animiert, daß er beschloß, mich zu begleiten.
Ich ließ ihn. Er wirkte zwar aufrichtig, doch das änderte nichts an meiner Einstellung. Für mich war er nach wie vor ein Mann mit einem bezahlten Regierungsposten. Falls ich mit Selia in Schwierigkeiten geriet und einen Lockvogel brauchte, würde ich ihn ihr fröhlich als Köder vorwerfen.
XLVII
Jede Stadt, ob groß oder klein, hat ihre Elendsviertel. Hispalis mochte zwar ein blühender Handelsort sein, die Geburtsstadt von Bildhauern und Dichtern und eine örtliche Metropole, besaß aber gleichfalls Gassen voller Schlaglöcher, durch die dünne, dunkeläugige Frauen brüllende Kleinkinder zum Markt zerrten, während nur wenige Männer zu sehen waren. Woraus ich schloß, daß das fehlende männliche Element aus Faulenzern und Strauchdieben bestand oder an Auszehrung gestorben war. Vielleicht war ich voreingenommen. Vielleicht war ich nur nervös. Und vielleicht tat ich recht daran.
Die Wohnung des Mädchens war schwer zu finden. Es hatte keinen Zweck, nach dem Weg zu fragen. Selbst wenn jemand sie gekannt hätte, würde er das vor uns verheimlicht haben. Wir waren zu gepflegt und zu redegewandt – zumindest ich. Placidus paßte vom Aussehen schon besser hierher.
»Das ist eine schlimme Gegend, Falco!«
»Was Sie nicht sagen. Wenigstens sind wir zu zweit und können uns in beide Richtungen wehren.«
»Gegen etwas Bestimmtes?«
»Gegen alles.«
Inzwischen war es später Nachmittag. Die Bewohner von Hispalis gaben sich einer ausgedehnten Siesta hin, was in der sommerlichen Hitze auch sehr nötig war. Die engen Gassen waren ruhig. Wir gingen im Schatten und bewegten uns nur langsam.
Schließlich fanden wir eine Pension, etwas größer und weniger heruntergekommen als die Nachbarhäuser, die der Beschreibung von Cyzacus und Norbanus zu entsprechen schien. Eine dicke, abweisende Frau, die auf einem wackeligen Schemel saß und Blätter von einem Kohlkopf in eine angeschlagene Schüssel warf, gab mürrisch zu, daß Selia hier wohnte. Uns wurde gestattet, hinauf zu gehen und an ihrer Tür zu klopfen. Sie war nicht da.
Wir gingen wieder hinunter und setzten uns in eine Art Imbißbude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Mit Essen und Getränken schien es nicht weit her zu sein, aber es gab einen Kellner, der in ein Würfelspiel mit einem Freund vertieft war. Er schaffte es, das Spiel gerade lange genug zu unterbrechen, um uns zu bitten, bis zum Ende der nächsten Runde zu warten, nach der er hastig Zahlen auf einem Brett notierte, die Würfel wieder parat legte, dann zwei Becher mit etwas Lauwarmem füllte und uns zwei Scheiben von einem Brotlaib abschnitt, bevor er und sein Kumpel sich wieder in ihr Spiel vertieften.
Placidus wischte den Rand seines Bechers sorgfältig mit dem Ärmel ab. Ich hatte gelernt, so ein Gesöff hinunterzustürzen, ohne das Gefäß mit den Lippen zu berühren. Hygienische Vorsichtsmaßnahmen hatten wenig Sinn, wenn das Getränk selbst verseucht war.
»Eine angenehme Arbeit, die Sie da haben, Falco!« seufzte mein Begleiter und machte es sich bequem.
»Wenn Sie wollen, können Sie meinen Posten haben.«
»Ich weiß nicht, ob ich dafür qualifiziert bin.«
»Können Sie den halben Tag in einer Schenke sitzen und nichts tun, während Sie auf ein Mädchen warten, das Ihnen den Schädel einschlagen will?«
»Sitzen und warten kann ich – aber ich wüßte nicht, was ich tun soll, wenn sie kommt.«
»Schön auf Abstand bleiben«, riet ich ihm.
Ich bedauerte es bereits, ihn mitgebracht zu haben. Die Gegend hier war zu
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