Zwielicht in Cordoba
herzog.
»Hat er dir unsittliche Anträge gemacht?« wollte ich mißtrauisch wissen. Schließlich wußte ich, wie ich reagieren würde, wenn ich Helena tagelang für mich hätte.
»Natürlich nicht.«
»Dann ist er ein Idiot!«
»Er betrachtet mich als eine Art Muttergottheit, glaube ich. Schüttet mir sein Herz aus. Und das ist ungefähr so interessant wie eine angekohlte Zimtschnecke.«
»Hat er zugegeben, daß er ein schlimmer Junge ist?«
»Das ist ihm gar nicht klar. Dazu hat er nicht genug Grips«, faßte Helena ihre Einschätzung von ihm wütend zusammen. »Egal, was er tut, er denkt nie darüber nach, ob es richtig oder falsch ist.«
Ich kaute auf meiner Unterlippe. »Keine faszinierenden Hoffnungen und Freuden? Keine unentdeckten Talente?«
»Seine Lieblingsbeschäftigungen sind Jagen, Trinken, Ringen – mit Gegnern, die nicht allzu professionell sind – und das Schwadronieren über die Zukunft, die er für sich geplant hat.«
»Mir hat er erzählt, wie gut er als Quästor sein wird.«
»Mir auch«, erwiderte sie verächtlich. »Das erzählt er wohl jedem.«
»Und manche werden beeindruckt sein.«
»Oh, bestimmt viele«, stimmte sie bereitwillig zu. »Die Leute setzen Selbstvertrauen mit Edelmut gleich.«
Einen Moment lang schwieg sie. » Ich besitze Selbstvertrauen«, sagte ich, da sie offenbar an sowas dachte.
»Aus gutem Grund. Und wenn das fehl am Platze ist, dann bist du voller Zweifel. Was Quinctius Quadratus fehlt, ist Urteilsfähigkeit.«
Wieder schwiegen wir. Der Sklave hatte sich mächtig angestrengt, und der Raum waberte vor Dampf. Feuchtigkeit von meinen angeklatschten Haaren lief mir über die Stirn. Ich schöpfte Wasser aus einem Becken und bespritzte mir Gesicht und Oberkörper. Helena sah sehr erhitzt aus. »Für dich ist es genug«, warnte ich sie.
»Ist mir egal. Ich bin so froh, bei dir zu sein, mit dir reden zu können.«
Es war viel zu heiß, um jemanden anzufassen, aber ich griff nach ihrer Hand, und wir umarmten uns.
»Warum können wir ihn nicht ausstehen?« sinnierte ich nach einigem Nachdenken. »Was hat er wirklich getan? Andere Leute halten ihn für wunderbar.«
»Und das wird auch so bleiben.« Helena hatte offensichtlich genügend Zeit gehabt, sich Gedanken über unseren Helden zu machen.
»Er ist liebenswürdig.«
»Das macht es ja so schlimm. Er könnte durchaus vielversprechend sein, doch er hat sich entschieden, seine Anlagen zu vergeuden. Wir können ihn nicht ausstehen, weil er Erfolg haben wird, den er nicht verdient. Er ist nur eine leere Hülle, aber das wird ihn nicht am Aufstieg hindern.«
»Seine Untergebenen werden ihm die Arbeit leicht machen.«
»Und seine Vorgesetzten sich die Mühe sparen, über seine Unzulänglichkeiten zu berichten.«
»Er wird dämliche Vorgehensweisen einführen und idiotische Entscheidungen treffen, aber bis sich die Ergebnisse herausstellen, hat er bereits eine weitere Stufe der Erfolgsleiter erklommen und richtet irgendwo anders Unheil an.«
»Und man wird ihn nie zurückrufen, damit er für seine Fehler einsteht.«
»Das liegt am System. Das System ist verrottet.«
»Dann muß das System geändert werden«, sagte Helena.
Allein im Bad wäre ich jetzt in einen tiefen Schlaf versunken, aber so rüttelte ich uns beide soweit auf, daß wir uns im Warmwasserbecken abwaschen konnten. »Und wie war jetzt diese Sache mit dem jungen Constans?«
»Das meiste davon hab ich dir schon erzählt.«
»Du warst bei Aelia Annaea?«
»Ja, weil ich Quadratus einfach nicht mehr ertragen konnte. Optatus ließ sich die Ausrede einfallen, er müsse nach Corduba fahren. Aelia und Claudia kamen, um mich zu retten. Wir machten uns in der Kutsche der Annaei davon und verbrachten den Tag bei Aelia.«
»Das war heute?«
»Ja. Dann erreichte uns am Nachmittag die schreckliche Nachricht, daß Claudia Rufina wegen der Tragödie sofort nach Hause kommen müsse. Ihr Bruder hatte auf dem Gut gearbeitet. Ich glaube, es hatte Ärger wegen seines Lebenswandels gegeben – die Fete von Aelias Brüdern, bei der du warst, hat Folgen in der ganzen Nachbarschaft gehabt. Wie auch immer, Rufius Constans hatte versprochen, sich zu bessern. Und mit harter Arbeit wollte er das beweisen.«
»Wie ist der Unfall passiert?«
»Für die Ölmühle waren neue Mahlsteine geliefert worden, und er wollte sie inspizieren. Niemand hatte damit gerechnet, daß er versuchen würde, sie allein zu bewegen. Als er zum Mittagessen nicht zu seiner Großmutter nach
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