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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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des Steins, den er abstützte.«
    »Sein Instinkt mag ihn veranlaßt haben, den Stein länger mit dem Hebebalken abzustützen, als er es hätte tun sollen, besonders, wenn er unerfahren war. Jupiter, was für eine schreckliche Vorstellung. Hätte sein Freund von oben den Stein nicht hochhieven können?«
    Optatus nahm kein Blatt vor den Mund: »Vielleicht hat dieser ›Freund‹ den Stein statt dessen nach außen gedrückt!«
    »Sie greifen der Sache voraus. Aber das würde erklären, wieso der ›Freund‹ hinterher verschwunden ist.«
    Optatus wurde noch deutlicher; er war wütend. »Selbst wenn es wirklich ein Unfall gewesen ist, hätte der Freund den Stein hinterher von Constans wegrollen können. Der Junge wäre trotzdem unter Schmerzen gestorben, aber er hätte nicht allein sterben müssen.«
    »Schöner Freund!«
     
    Wir hörten ein Geräusch und wandten uns um. Marmarides kam mit Helena und Claudia auf uns zu. Claudias Gesichtsausdruck war zu entnehmen, daß sie gehört hatte, was Marius sagte.
    Optatus richtete sich sofort auf und ging zu dem Mädchen. Er legte ihr beide Hände auf die Schultern und küßte sie auf die Stirn. Es war nur eine rasche Geste, und er nahm seine Hände sofort wieder fort. Claudia schenkte ihm ein schwaches Lächeln und brach auch nicht in Tränen aus, wie sie es getan hatte, als Quadratus sie mit Beileidsbezeugungen überhäufte.
    Optatus erklärte in ein paar Worten, worüber wir gesprochen hatten. »Es gibt keine Zweifel. Constans kann diese Arbeit nicht allein ausgeführt haben. Jemand – wenn wir auch noch nicht wissen, wer – war hier und hat ihm geholfen.«
    »Jemand hat ihn umgebracht.« Claudias Stimme klang jetzt auf unheimliche Weise beherrscht.
    Ich mußte eingreifen. »Es kann immer noch ein schrecklicher Unfall gewesen sein. Aber wer auch immer hier war, muß gesehen haben, daß Ihr Bruder schwer verletzt war, und hat ihn trotzdem allein gelassen.«
    »Sie meinen, er hätte nicht sterben müssen? Er hätte gerettet werden können?« Ihre plötzlich schrille Stimme verriet, daß sich Claudias Gedanken überschlugen.
    »Nein, nein. Bitte quälen Sie sich nicht mit dem Gedanken. Nachdem der Stein nun einmal abrutschte und auf ihn fiel, waren seine Verletzungen viel zu schwer.« Während ich das sagte, legte Marius die Hand auf ihren Arm und nickte, versuchte sie zu überzeugen, daß es stimmte. Jetzt begann Claudia doch zu weinen, aber statt sie selbst zu trösten, machte Marius ein verlegenes Gesicht und schob sie zu Helena. Als Liebhaber hatte er eine gute Chance verpaßt.
    Helena hielt Claudia an sich gedrückt, küßte sie und fragte mich dann: »Marcus, was glaubst du, wer dieser verschwundene Begleiter war?«
    »Ich bin gerne bereit, einen Namen zu nennen!« zischte Marius.
    »Das wissen wir – aber Quinctius Quadratus hat ein unerschütterliches Alibi: der Mistkerl konnte nicht reiten. Selbst wenn sein junger Freund Constans ihn bei uns auf dem Gut abgeholt hat, hätte Quadratus nach dem Unfall immer noch dorthin zurückkehren müssen. Wie soll er das wohl angestellt haben?« Optatus schwieg und räumte damit widerstrebend diesen Punkt ein.
    »Nennen Sie es Mord, nicht Unfall!« beharrte Claudia und befreite sich aus Helenas Armen.
    »Das werde ich so lange nicht tun, Claudia«, sagte ich geduldig, »bis ich entweder Beweise beibringen oder jemanden zu einem Geständnis bewegen kann. Aber ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um herauszufinden, was passiert ist, und wenn es wirklich Mord war, werde ich den Täter zur Verantwortung ziehen.«
    Claudia Rufina bemühte sich sichtbar, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Das junge Mädchen war mutig, stand aber kurz vor einem Zusammenbruch. Auf ein Zeichen von Helena schlug ich leise vor, daß wir den Ort der Tragödie verließen und sie zum Haus ihrer Großeltern brachten.

LVII
    In dem großen, halbfertigen Haus herrschte Stille. Die Bauarbeiter waren nach Hause geschickt worden, und die Gutsarbeiter blieben in ihren Quartieren. Verängstigte Sklaven huschten drinnen zwischen den Säulen herum. Die Zeit war stehengeblieben.
    Die Leiche von Rufius Constans lag hoch im Atrium aufgebahrt. Alles war mit Zypressenzweigen geschmückt. Ein Baldachin verdunkelte den sonst mit Sonnenlicht erfüllten Raum, und rußende Fackeln brachten die Besucher zum Husten und ließen ihnen die Augen tränen. Der junge Mann war für das Begräbnis in Weiß gekleidet, mit Girlanden bedeckt und

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