Zwielicht in Cordoba
roch süßlich nach Einbalsamierungsölen. Büsten seiner Vorfahren wachten über ihn. Lorbeerkränze, die er noch nicht hatte für sich selbst erringen können, waren auf Dreifüßen drapiert, um die Ehren zu symbolisieren, die der Familie entgangen waren.
Marius und ich tauschten Blicke aus, überlegten, ob einer von uns Wache halten sollte, während der andere die Leiche untersuchte. Aber was hätten wir schon entdecken sollen? Es war das Risiko, daß man uns bei dem Sakrileg erwischte, nicht wert. Wir entschieden uns dafür, eventuelle Empörungsschreie zu vermeiden.
Licinius Rufius und seine Frau saßen völlig reglos im angrenzenden Empfangszimmer. Beide waren schwarz gekleidet. Beide sahen aus, als hätten sie weder geschlafen noch gegessen, seit sie vom Tod ihres Enkels erfahren hatten. Keiner von ihnen zeigte sonderliches Interesse an der Rückkehr ihrer Enkelin, obwohl sie erfreut zu sein schienen, daß wir anderen gekommen waren, um ihre Trauer zu teilen. Die Atmosphäre war lähmend. Ich hatte Mitgefühl mit ihrem Leid, aber ich war immer noch erschöpft und gereizt nach meinem langen Ritt von Hispalis. Meine Geduld war fast am Ende.
Stühle wurden herbeigebracht. Claudia setzte sich sofort mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf, schickte sich in ihre Pflichten. Helena, Marius und ich nahmen etwas widerstrebender Platz. Es bestand durchaus die Möglichkeit, daß wir alle für die nächsten drei Stunden wie Statuen hier sitzen und kein Wort hören würden. Ich war wütend und hatte das Gefühl, daß uns derartige Passivität nicht weiterbringen würde.
»Das Ganze ist eine entsetzliche Tragödie. Uns allen ist klar, wie sehr Sie darunter leiden müssen.«
Im Gesicht des Großvaters zuckte es, doch er machte keine Anstalten, mir zu antworten.
»Werden Sie zur Beerdigung kommen?« fragte Claudia Adorata, die alte Dame, mich mit leiser Stimme. Sie gehörte zu jenen Frauen, die in solchen Ritualen Trost suchen. Marius und ich sagten beide zu. Ich hatte bereits mit Helena besprochen, daß sie sich entschuldigen solle. Niemand würde uns danken, wenn sie die ausgedehnte Trauerfeier dadurch störte, daß sie mittendrin das Kind zur Welt brachte.
Ich mußte mich einfach äußern: »Licinius Rufius, Claudia Adorata, vergeben Sie mir, wenn ich ein unwillkommenes Thema anschneide. Ich spreche als Freund. Es ist festgestellt worden, daß jemand, der sich noch nicht zu erkennen gegeben hat, bei Ihrem Enkelsohn gewesen sein muß, als er starb. Die Sache muß untersucht werden.«
»Constans ist tot«, rang sich Licinius ab. »Es ist sinnlos. Sie meinen es gut«, räumte er auf seine autokratische Art ein.
»So ist es. Ich respektiere Ihren Wunsch, sich Ihrer Trauer hinzugeben.« Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, daß der Tod des jungen Mannes ein trauriger – aber unvermeidlicher – Unfall gewesen war. Mit ruhiger und respektvoller Stimme fuhr ich fort: »Ich würde Sie gern unter vier Augen sprechen. Es betrifft die Sicherheit Ihrer Enkelin.«
»Meiner Enkeltochter!« Sein Blick flog zu mir und wurde kühl erwidert.
Zweifellos würde Claudia Rufina nach dem Begräbnis mit Anteilnahme überhäuft werden, aber im Moment erntete sie eher Gleichgültigkeit. Der alte Mann wollte offenbar vor anderen nicht über sie sprechen, also starrte er mich an, gab mir aber dann ein Zeichen, ihm in ein anderes Zimmer zu folgen. Claudia machte eine kurze Bewegung, als wolle sie sich erheben und mit uns kommen, doch Helena Justina schüttelte verstohlen den Kopf.
Ich stand. Licinius saß. Das verlieh ihm Rang und Würde. Die ich nicht nötig hatte.
»Ich werde mich kurz fassen. Vielleicht war es ja einfach Schlamperei, die Ihrem Enkel das Leben kostete. Aber möglicherweise war es doch mehr als ein bloßer Unfall. Zu wissen, wie es wirklich war, spielt ja vielleicht nur für Ihren eigenen Seelenfrieden eine Rolle. Aber ich sah Sie und Constans im Palast des Prokonsuls. Ich habe meine eigenen Schlüsse gezogen, warum Sie ihn dort hinbrachten. Ich habe den starken Verdacht, daß es Menschen gibt, die nicht erfreut gewesen wären, wenn Constans eine Aussage gemacht hätte – und diese Leute werden erleichtert sein, nachdem er jetzt zum Schweigen gebracht worden ist.«
»Sie sagten, Sie wollten mit mir über meine Enkeltochter sprechen, Falco.«
»Das betrifft auch sie. Werden Sie mir erzählen, was Constans wußte?«
»Dazu habe ich nichts zu sagen.«
»Falls Constans Kenntnis über gesetzwidrige
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