Zwielicht in Cordoba
Jungen war entfernt worden. Alles andere sah so aus, als hätte man es einfach so liegengelassen.
»In diesem Raum findet das erste Zerkleinern statt«, erklärte Optatus. »Die Oliven werden gepflückt und in großen Körben zur Mühle getragen. Sie werden gewaschen, sortiert und zwei Tage lang in Haufen auf einem abgeschrägten Teil des Bodens liegengelassen. Dann schafft man sie hierher zum Zerkleinern. Die Oliven werden in dieser Mühle zerquetscht, damit eine grobe, gleichmäßig vermischte Masse entsteht. Die kommt dann nach nebenan, wo das Öl ausgepreßt wird.«
Die Zerkleinerungsmühle bestand aus einem großen runden Steinbecken, in das die noch ganzen Ölfrüchte geschüttet wurden. Ein Mittelpfahl stützte schwere Holzarme ab, die durch das Zentrum von zwei vertikalen, halbzylinderförmigen Mahlsteinen verliefen. Diese wurden durch einen kräftigen, rechteckigen Kasten etwas voneinander getrennt, in dem die Holzarme befestigt waren. Der Kasten war mit Metall beschlagen und bildete einen Teil der Zentralmaschinerie, die die Mahlsteine drehte und abstützte.
»Durch die beiden Steine werden Stangen geführt«, erklärte Optatus in seiner monotonen Art. »Zwei Männer gehen um das Becken herum, schieben die Stangen langsam vor sich her und zerkleinern so die Ölfrüchte.«
»Es ist also anders als beim Kornmahlen?«
»Ja. Kornmühlen haben eine konische Basis und einen ausgehöhlten oberen Stein. Hier ist es genau umgekehrt – ein Becken, in das die Steinwalzen passen.«
»Sie bewegen sich ziemlich locker?«
»Ja. Ihre Aufgabe ist, die Oliven zu zerquetschen und das Öl freizusetzen, eine geschmeidige Masse herzustellen. Aber man achtet darauf, die Kerne möglichst nicht zu zerbrechen. Sie geben dem Öl einen bitteren Geschmack.«
Wir schwiegen beide.
Die alten, abgenutzten Mahlsteine standen gegen die Wand gelehnt, einer mit der flachen Seite nach außen, der andere mit der runden; beide waren dunkellila verfärbt und stark verformt. Heller, neuer Zement war benutzt worden, um das Becken auszubessern. Einer der neuen Steine war bereits aufrecht am zentralen Drehpunkt angebracht, an dem er durch Keile gehalten wurde. Beide Steine waren mit brandneuen Drehstangen geliefert worden, deren Holz nach der Bearbeitung mit dem Breitbeil noch weiß schimmerte.
»Sie sehen, Falco«, fuhr mein Begleiter mit gleichmäßiger Stimme fort, »daß der Mahlstein ziemlich locker hineinpaßt. Wenn die Mühle in Gebrauch ist, wird die Stange nur als Hebel benutzt, um den Stein durch das Becken zu bewegen. Die Steine bewegen sich fast aus eigener Kraft aufgrund des Drucks durch die eingefüllten Oliven.« Der Mahlstein wurde von unten durch Keile gehalten, und jetzt lehnte noch Optatus sich auf ihn, um mir zu zeigen, wieviel freies Spiel er hatte. Durch Druck auf die Stangen würde sich der Stein bewegen und die Oliven gegen die Wände des Beckens drücken, aber nicht so fest, daß die Kerne zerbrachen.
Ich seufzte und befingerte eine Manschette, die eng um die Stange paßte. »Und diese Dichtung – die man wahrscheinlich verstellen kann – ist hier an der Außenseite angebracht, damit der Stein in Position bleibt?«
»So sollte es sein.« Optatus’ Stimme hatte einen grimmigen Klang angenommen.
»Dann kann ich mir in etwa vorstellen, was mit dem Jungen passiert ist.«
»Ich denke auch!« Offenbar hatte Optatus die ganze Sache bereits durchdacht und war zu keinem erfreulichen Ergebnis gekommen.
Der zweite Mahlstein lag auf dem Boden. Die dazugehörige Stange war halbwegs durchgesteckt, war dann aber beim Herabfallen zerbrochen. Selbst in dieser schwachen Beleuchtung bemerkte ich die dunklen Flecke auf dem Boden neben dem Stein. Sie sahen wie getrocknetes Blut aus.
»Also, zu welchen Schlüssen sind Sie gekommen?« fragte ich Marius.
»Die neuen Mahlsteine sind vor zwei Tagen geliefert worden, aber Licinius Rufius hatte noch keine Vorkehrungen getroffen, sie anbringen zu lassen. Ich habe im Haus gefragt, und er hatte offenbar vor, die Steinmetze, die an seinem neuen Portikus arbeiteten, damit zu beauftragen.«
»Warum hat er das nicht getan?«
»Er hatte eine Auseinandersetzung mit ihnen wegen einer zerbrochenen Säule, und sie hatten die Baustelle verlassen.«
»Das mag sehr gut sein. Ich habe die zerbrochene Säule selbst gesehen, als ich vor einiger Zeit hier war.«
»Constans scheint beschlossen zu haben, seinen Großvater zu überraschen und ihm eine Freude zu machen. Er hat jedoch nur gesagt, daß
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