Zwielicht in Cordoba
Jahren auf dem Thron, und irgendwie bezweifelte ich, daß hier mehr als harmlose Kleinstbetrügereien vorkamen. Die Gewinne waren hoch genug, übermäßige Gier abzufedern. Die Bedeutung dieser Mine sorgte dafür, daß nur das beste Personal eingesetzt wurde. Das Ganze hatte die unmißverständliche Aura römischer Sorgfalt.
Die offenbar einer Überprüfung durch den Quästor nicht bedurfte.
»O ja, Quadratus war hier. Wir haben die große Besichtigungstour mit ihm gemacht.«
»Das heißt, Sie haben ihn auf einer wackeligen Leiter in den tiefsten Schacht hinuntergeschickt und dann plötzlich die Lampe ausgeblasen, damit er sich in die Hose macht?«
»Sie kennen sich aus!« strahlte der Prokurator bewundernd. »Danach haben wir ihm ein paar Graphiken und Zahlen vor die Nase gehalten und ihn weiter nach Castulo geschickt.«
»Wann war das?«
»Gestern.«
»Dann kann ich ihn bestimmt noch einholen.«
»Wollen Sie sich nicht erst unsere Mine ansehen?«
»Nichts lieber als das – aber ich muß mich beeilen.« Es gelang mir, die Ablehnung höflich klingen zu lassen. Hat man eine Mine gesehen, kennt man sie alle.
Castulo mußte etwa einen Tagesritt entfernt liegen. Quadratus selbst hatte mir erzählt, daß sein Vater dort Beteiligungen an einer kleinen Minengesellschaft besaß, die alle Erzabbaurechte im Umkreis von fünfundzwanzig Meilen oder mehr an sich gerissen hatte. Die Gruben waren kleiner als diese hier, aber das Gebiet war wichtig. Einige der wohlhabendsten Männer in Hispanien verdankten ihren Reichtum den Gruben bei Castulo.
Fast wäre ich ohne Zwischenfall von hier fortgekommen. Ich hatte das Büro verlassen und hielt Ausschau nach meinem Führer. Offenbar arbeitete er nach dem Prinzip, daß er nur für das Hineingeleiten zuständig war; den Rückweg sollte man gefälligst allein finden, während er davonschlenderte, um mit einem Kumpel zu quatschen.
Dann kam ein Mann auf mich zu. Ich erkannte ihn sofort, er mich aber offenbar nicht. Ein großer, formloser Schinder, genau so verschlagen wie erbarmungslos. Er wirkte schwergewichtiger denn je und kam mit einem noch drohenderen Watschelgang daher. Sein Name war Cornix. Der Sklavenaufseher, der es sich einst zur Gewohnheit gemacht hatte, mich zum Foltern herauszugreifen. Zum Schluß hatte er mich beinahe umgebracht. Von allen abartigen, verkommenen Schlägertypen des Römischen Reichs war er der letzte, den ich je hatte wiedersehen wollen.
Ich hätte an ihm vorbeigehen können und ihm wäre nie aufgegangen, daß wir uns schon früher begegnet waren. Doch ich konnte mein Zusammenzucken beim Wiedererkennen nicht unterdrücken. Dann war es zu spät.
»Sieh an! Sieh an! Wenn das nicht unser Witzig ist!« Der Spitzname ließ mir das Blut gefrieren. Und ich hatte keine Zweifel, wie Cornix es meinte, als er boshaft höhnte: »Ich hab nicht vergessen, daß ich dir was schuldig bin!«
LXIII
Cornix hatte zwei Sekunden Zeit, mich zu Brei zu schlagen, aber er verpaßte seine Chance. Danach war ich an der Reihe.
Ich hatte mir bei Cornix einst etwas Unverzeihliches zuschulden kommen lassen: Ich war seinen Fängen entkommen und hatte ihn öffentlich gedemütigt. Die bloße Tatsache, daß ich noch lebte, war nur darauf zurückzuführen, daß ich ihn permanent reingelegt und überlistet hatte. Da ich zu jener Zeit angekettet, fast verhungert, verzweifelt und dem Tode nahe war, war das um so bemerkenswerter.
»Ich schlag dir den Schädel ein«, verkündete er mit dem vertrauten ekelhaften Krächzen. »Und danach werden wir zwei wirklich ein bißchen Spaß haben!«
»Immer noch der gleiche weichherzige Riese! Der gute alte Cornix … Wer hat dich denn aus dem Käfig gelassen?«
»Du wirst sterben«, knurrte er mich an. »Außer du hast wieder ein Mädchen, das dir zur Hilfe eilt?«
Jede Art von Verzögerung bedeutete Gefahr und war das letzte, was ich mir leisten konnte. Das Mädchen, das mich einst gerettet hatte, war auf dem Weg zur Küste und in einem Zustand, in dem sie mich dringend brauchte.
»Nein, Cornix. Ich bin allein und unbewaffnet und an einem mir fremden Ort. Offenbar hast du alle Vorteile auf deiner Seite.«
Ich war ihm zu gefügig. Er wollte Drohungen. Er wollte, daß ich ihm Widerstand leistete und ihn zwang, mit mir zu kämpfen. Ein oder zwei Leute schauten bereits zu uns hin. Cornix war ganz versessen auf eine große Schau, aber es mußte so aussehen, als hätte ich ihn provoziert. Er war die Art von Schlächter, der sich nur an Sklaven
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