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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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damals frei gewesen – nur aus eigenem Willen als Sklave getarnt, und das aus ehrbaren Motiven; aber bei einem Trupp aneinander geketteter Sträflinge in einer Silbermine gibt es keine feinen Unterschiede, was Entwürdigung betrifft. Jetzt stieg ich von einem kräftigen Muli, ein selbstbewußter Mann, der es zu etwas gebracht hat in der Welt. Ich besaß einen Rang, war in offizieller Mission unterwegs und konnte einen kaiserlichen Paß vorlegen, um das zu beweisen. Ich hatte eine wunderbare Frau, die mich liebte, und würde bald Vater eines kleinen Bürgers sein. Ich war jemand. Die Eingänge zur Mine waren bewacht, aber als ich mich an den Wachposten wandte, nannte er mich »Legat« und gab mir einen höflichen Führer mit. Doch als mich der Gestank wie ein Schlag traf, warf er mich beinahe um drei Jahre zurück. Wenn ich mich gehenließ, wäre ich bald nur noch ein zitterndes Wrack.
    Ich wurde durch das geschäftige Treiben im Schatten hoher Schlackeberge geführt. Als wir an den Schornsteinen der Treibherde vorbeikamen, raubten mir der Rauch und das unaufhörliche Schlagen der Hämmer beinahe den Verstand. Ich hatte das Gefühl, den Boden unter meinen Füßen erzittern zu spüren. Mir wurde gesagt, daß die Schächte hier bis in eine Tiefe von sechshundert Fuß hinabreichten. Die vom Ende der Schächte ausgehenden Flöze verfolgten die Silberadern bis in Tiefen von drei- und viertausend Fuß. Dort unten arbeiteten die Sklaven, denn es war Tag. Es gibt bestimmte Regeln. In keiner Mine wird nachts gearbeitet. Man muß schließlich zivilisiert bleiben.
    Unter Tage waren riesige Spiegel angebracht, um das helle Sonnenlicht zu reflektieren, das von oben einfiel. Dort, wo das Licht sie nicht mehr erreichte, trugen die Sklaven Tonlampen mit senkrechten Henkeln vor sich her. Ihre Schicht endete erst, wenn die Lampen leer waren, was immer viel zu lange dauerte. Die Lampen verbrauchten die Luft und erfüllten die Flöze mit Rauch. In diesem Rauch mühten sich die Sklaven ab, Klumpen von Erz aus den Wänden zu hacken, dann schleppten sie diese mörderischen Gewichte in Espartoeimern auf ihren Schultern in einer Menschenkette nach oben. Hinauf und hinunter von den Stollen, wobei sie kurze Leitern verwendeten. Ein Schieben und Drängen wie in einem Ameisenzug. Hustend und schwitzend in der Dunkelheit. Ihre Notdurft verrichteten sie dort, wo sie waren, direkt in den Stollen. Kaum bekleidete Männer, die oft wochenlang kein Tageslicht sahen. Andere schufteten sich endlos in den Tretmühlen der riesigen Wasserräder ab, die die tiefsten Schächte auspumpten. Wieder andere mühten sich damit ab, die Stollen abzustützen. Und alle kamen Tag für Tag dem unvermeidlichen Tod ein Stückchen näher.
    »Überwältigend, nicht wahr?« meinte mein Führer. O ja. Ich war in der Tat überwältigt.
    Wir erreichten das Büro des Prokurators. Drinnen lungerten ganze Horden von Verwaltungspersonal herum. Gut gekleidete Männer mit Fleisch auf den Knochen. Sauber gewaschen und ordentlich rasiert saßen sie an ihren Tischen und rissen Witze. Sie strichen ihr Gehalt ein und genossen das Leben. Unter ihnen ein paar fluchende und sich beklagende Aufseher, die über Tag Pause machten, während sie gleichzeitig damit prahlten, wie sie neue Verurteilte zur Raison brachten und die anderen, die schon länger hier waren, zur Arbeit antrieben. Die Ingenieure, schweigsame Männer, die erfindungsreiche Diagramme kritzelten, arbeiteten neue und erstaunliche Methoden aus, die unter Tage eingesetzt werden sollten. Die Geometriker, die für das Auffinden und Einschätzen der Silberadern verantwortlich waren, stellten Berechnungen an, wenn sie nicht gerade dabei waren, die Füße auf den Tisch zu legen und obszöne Geschichten zu erzählen.
    Ständig gingen Leute ein und aus. Niemand nahm Notiz von einem Neuankömmling. Geheimnisvolle Diskussionen wurden geführt, wobei es gelegentlich hitzig zuging, im allgemeinen der Ton aber eher geschäftsmäßig blieb. Gewaltige Erzbewegungen und endlose Ladungen von Silberbarren wurden von diesem Büro aus organisiert. Eine kleine Armee von Einzelunternehmern wurde von hier aus gelenkt, um den Staatssäckel prall zu füllen. Es herrschte eine rauhe und geschäftige Atmosphäre. Falls es hier Korruption gab, konnte sie in skandalöser Form und großem Umfang betrieben werden, wie ich es in einer anderen Provinz nachgewiesen hatte. Aber seit damals waren an die drei Jahre vergangen, und unser neuer Kaiser saß seit fünf

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