Zwielicht in Cordoba
konnte (obwohl er recht vielversprechend wirkte). Sie wartete darauf, eine Kutsche zu besteigen, aus der der Kopf eines Mannes in ihrem Alter ragte. Er sah unverschämt gut aus. Seine aufmunternden Rufe galten einem jüngeren, bereits sehr betrunkenen Mann, der aus der Kutsche gestürzt war und sich über die makellosen Eingangsstufen der Villa erbrach. An Festtagen war in Corduba offenbar richtig was los.
Ich hätte die Leute in der Kutsche vielleicht fragen können, ob sie mich mitnehmen würden, aber ich hatte keine Lust, mir die Toga vollkotzen zu lassen. Zu ihrer Ehre muß man sagen, daß die Tochter mir riet, auf meine Schritte zu achten, als ich an ihr vorbeikam.
Unverköstigt, ungetränkt und ungeläutert wandte ich mich ab und machte mich müde auf den Rückweg nach Corduba. Es gab keine Möglichkeit, jetzt noch auf das Camillus-Gut zurückzukehren. Ich mußte eine Herberge finden, deren Besitzer noch nüchtern war und trotz der Festgäste ein Bett frei hatte. Doch zunächst mußte ich durch die stockfinstere Gegend hinter dem Annaeus-Besitz, bevor ich, am Friedhof vorbei, die noch dunkleren Straßen der Stadt erreichte. Ich fürchte mich nicht vor Geistern – aber ich habe nichts übrig für das scheußliche Gelichter, das nächtens zwischen den Grabsteinen einer Nekropolis herumschleicht.
Ich schritt forsch aus. Meine Toga hatte ich zusammengefaltet, soweit einem das bei einer unhandlichen, halbkreisförmig geschnittenen Stoffmasse möglich ist, und über meine Schulter geworfen. Die von Fackeln erleuchtete Einfahrt lag hinter mir; allerdings hatte ich mir eine der Fackeln geklaut. Ich tappte die staubige Straße entlang und ließ in Gedanken den Tag noch einmal Revue passieren. Verfolger hörte ich nicht, dennoch blieb ich wachsam. Auf jeden Fall spürte ich den spitzen Stein, der aus dem Nichts angeflogen kam und mich mit voller Wucht im Nacken traf.
XXVI
Instinktiv wollte ich nach hinten an die schmerzende Stelle greifen und den Kopf beugen. Verdammter Instinkt. Ich wollte am Leben bleiben.
Ich wirbelte herum und zog mein Schwert. In Rom eine Waffe zu tragen ist gegen das Gesetz – aber hier galt das nicht. Alle Römer wissen, daß die Provinzen Brutstätten für Straßenräuber und Banditen sind. Alle Römer auf Urlaub oder im auswärtigen Dienst sind bewaffnet.
Ironischerweise war mein Schwert, ein inoffizielles Andenken an meine fünf Militärdienstjahre, eine kurze Stichwaffe aus feinstem spanischen Stahl.
Angestrengt lauschte ich in die Dunkelheit. Wenn es mehr als einen Angreifer gab, saß ich tief in der Tinte. Hatten Anacrites und Valentinus das gleiche empfunden, als sie von den Pfeilen getroffen wurden?
Niemand stürzte sich auf mich. Rundherum war nichts als Stille, wie angestrengt ich auch lauschte.
Hatte ich mir das alles nur eingebildet? Nein, an meinem Hals war Blut. Das Wurfgeschoß lag zu meinen Füßen, groß und spitz wie ein Feuerstein. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Ich hob den Stein auf und sah, daß auch an ihm Blut klebte. Dann stopfte ich ihn in meine Gürteltasche. Schließlich befand ich mich auf einer Vergnügungsreise in einer ausländischen Provinz und wollte doch nicht ohne Souvenir nach Hause zurückkehren.
Manchmal werfen Bauernlümmel mit Steinen. Manchmal wird man in der Stadt von irgendwelchen Idioten mit Dachziegeln und Tonscherben bombardiert. Eine alte Sitte, ein Trotzakt gegen vorbeigehende Fremde. Ich glaubte nicht daran, daß es sich hierbei um sowas handelte.
Rasch rammte ich die Fackel in den weichen Boden am Straßenrand und trat aus ihrem Lichtschein. Dann ließ ich die Toga von der Schulter gleiten und wickelte sie mir als eine Art Schild um den Unterarm. Durch das Fackellicht gab ich immer noch ein Ziel ab, aber lieber nahm ich dieses Risiko auf mich, als die Flamme zu löschen und mitten in einer fremden Gegend im Stockdunkeln zu stehen. Ich strengte meine Ohren an und wechselte ständig die Position.
Schließlich, als immer noch nichts geschah, zog ich die Fackel wieder heraus und begab mich auf die Suche. Auf beiden Seiten der Straße lagen Olivenhaine. Im Dunkeln waren sie voller Gefahren, wenn auch diesmal natürlicher. Hacken zum Unkrautjäten warteten nur, daß ich drauftrat, mir der Stiel ins Gesicht schnellte und die Nase brach. Niedrige Zweige waren ganz erpicht darauf, mir die Stirn aufzukratzen. Im Hain konnten sich ohne weiteres Liebespärchen aufhalten, die auf wilde Provinzlerart über mich herfallen mochten, falls ich sie
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