Zwielicht in Cordoba
sich das Gespräch innerhalb Ihrer Gruppe um die Ölindustrie in Hispanien drehte und daß es dabei um unsaubere Geschäfte ging.«
»Das ist eine unverschämte Unterstellung!«
»Nein, eine realistische. Jede Provinz besitzt ihr eigenes Kartell. Das bedeutet aber nicht, daß Rom Preisabsprachen für Olivenöl hinnehmen kann. Sie wissen, wie sich das auf die Wirtschaft des Reiches auswirken würde.«
»Verheerend«, stimmte er zu. »Aber zu solchen Absprachen wird es nicht kommen.«
»Sie sind ein prominenter Mann, Annaeus. Ihre Familie hat sowohl die beiden Senecas als auch den Poeten Lucan hervorgebracht. Dann hat Nero zwei Mitglieder Ihrer Familie zum Selbstmord gezwungen – Seneca, weil er zu offenherzig war, und Lucan wegen seiner angeblichen Verstrickung in Verschwörungen. Sagen Sie mir, hegen Sie aufgrund dessen, was Ihren Verwandten zugefügt wurde, einen Haß auf Rom?«
»Rom besteht nicht nur aus Nero«, erwiderte er, widersprach aber meiner Beurteilung der Erniedrigung seiner Familie nicht.
»Sie könnten dem Senat angehören. Ihre finanzielle Position berechtigt Sie dazu.«
»Ich ziehe es vor, mich nicht in Rom niederzulassen.«
»Manche würden sagen, es sei Ihre Staatsbürgerpflicht.«
»Meine Familie hat sich nie vor Pflichten gedrückt. Corduba ist unsere Heimat.«
»Aber Rom ist der Nabel der Welt!«
»Ich lebe lieber in meiner eigenen Stadt und gehe dort meinen Geschäften nach.« Seneca, Neros Tutor, war für seinen trockenen Stoizismus und seinen Witz bekannt, aber sein Nachfahre hatte davon nicht das geringste abbekommen. Maximus wurde nur schwülstig: »Die Ölhersteller von Baetica waren immer ehrliche und aufrichtige Kaufleute. Ihnen etwas anderes zu unterstellen ist skandalös.«
Ich lachte leise, unbewegt ob dieser lahmen Drohung. »Falls ein Kartell existiert, bin ich hier, um die daran Beteiligten zu entlarven. Als Duovir – und als gesetzestreuer Händler – kann ich mich sicher auf Ihre Unterstützung verlassen, nicht wahr?«
»Selbstverständlich«, gab der Gastgeber des Festes zurück und ließ mich merken, daß er nun gedachte, zu dem angesengten Fleisch seiner Grillparty zurückzukehren.
»Noch eine Sache – bei diesem Essen in Rom trat eine Tänzerin auf. Sie stammt aus dieser Gegend. Kennen Sie sie?«
»Nein.« Die Frage schien ihn zu überraschen; natürlich würde er sowieso jede Verbindung abstreiten, wenn er wußte, was sie getan hatte.
»Ich bin froh, das zu hören«, sagte ich kalt. »Sie wird nämlich jetzt wegen Mordes gesucht. Und sagen Sie mir, warum haben Sie Rom so plötzlich verlassen?«
»Familiäre Probleme«, meinte er mit einem Schulterzucken.
Ich gab auf, ohne sichtbare Resultate, aber mit dem Gefühl, einen Nerv getroffen zu haben. Er war zu ruhig geblieben. Falls er unschuldig war, hatte ich ihn mehr beleidigt, als er es sich anmerken ließ. Wenn ihm wirklich nichts von einer Verschwörung bekannt war, hätte er erregter auf meine Vermutungen reagieren müssen. Dann wäre er schockiert und wütend darüber gewesen, daß vielleicht einige der gutgekleideten Gäste an seiner heutigen Tafel die Ehrenhaftigkeit verraten hatten, die er gerade dem baetischen Handel zugeschrieben hatte. Er hätte Angst haben müssen, daß sie Rom vor den Kopf gestoßen hatten.
Ohne Zweifel wußte er davon, daß über ein Kartell verhandelt wurde. Falls Annaeus nicht selbst dazu gehörte, dann kannte er zumindest die anderen Teilnehmer.
Als ich ging, sah ich mit eigenen Augen, was es mit den Familienproblemen auf sich hatte. Während ihre Eltern sich ans Festmahl setzten, eilte die jüngere Generation zu unbekannten Zielen und unziemlichen Vorhaben davon. Wenn die drei Annaeus-Söhne mit Aelianus befreundet waren, hatte er bestimmt eine ausgelassene Zeit in Baetica verbracht. Sie waren unterschiedlichen Alters, aber von gleicher Mentalität. Als ich langsam zur Auffahrt ging, galoppierten sie, von den Ställen kommend, auf mich zu, schlossen mich von beiden Seiten enger ein, als es mir lieb war, juchzten und pfiffen und beschimpften einander laut, weil sie mich nicht richtig über den Haufen geritten hatten.
Eine junge Frau, die ihre Schwester sein mochte, verließ ebenfalls das Haus, als sie die Einfahrt hinabjagten. Sie war ein selbstsicheres Wesen von Mitte zwanzig, eingehüllt in eine fellgefütterte Stola. Dazu trug sie mehr Perlen und Saphire, als ich je an einem einzigen Busen gesehen hatte – so viele, daß man sich kein Bild von letzterem machen
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