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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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hatte, wollte sie Matthias nicht beißen, sie wollte ihn küssen. Aber hatte sie eine Wahl?

4. Kapitel
Die Hinterbliebenenkiste
    Die Einarbeitung in das 100-Betten-Klinikum war nach drei Nächten erledigt. Einarbeitung bedeutete auch, dass zwei Schwestern bezahlt werden mussten, für ein Haus, welches nicht einmal komplett belegt war. Diese vierte Nachtschicht war ihre erste ohne Begleitung und Sophie war froh, dass sie nicht tatsächlich so jung und unerfahren war, wie sie aussah. Das kam selten vor.
    Zwar war ein diensthabender Arzt anwesend, aber den sah sie nur, wenn sie den Pieper bediente. Und im Grunde war es auch gut so.
    Die Klinik war hauptsächlich von Patienten belegt, die Haut- und Atemprobleme hatten. Einige wenige Mukoviszidose-Patienten brauchten erhöhte Aufmerksamkeit, aber diese Patienten kannten sich mit ihrer Krankheit meist besser aus als das Personal und gaben somit bei Problemen immer rechtzeitig Bescheid.
    Manchmal empfand Sophie ihre eigene Krankheit - und für sie war es eine - als banal neben diesen Patienten. Mukoviszidose ist eine der genetisch bedingten und somit angeborenen Stoffwechselerkrankungen und bringt unendlich viele Sorgen für die Betroffenen und ihre Familien mit sich. Alle wichtigen Organe bekommen Funktionsstörungen und der Patient hat meist keine hohe Lebenserwartung. Heilung gibt es nicht.
    Die abendliche Essensverteilung im Labor war, sehr zu Vanessas Freude, an Sophie übertragen worden. Ihr passte das tägliche Bedienen gut in den Dienstplan, da sie so Gelegenheit hatte, Matt, wie sie ihn jetzt nannte, zu sprechen.
    Manchmal stand noch das Kaffeegedeck vom Nachmittag da und das nahm sie dann umständlich an sich, um es wegzuräumen. Dabei versuchte sie immer ein wenig zu plauschen oder zumindest zulauschen. So hatte sie auch herausgefunden, dass der Professor an einer Arbeit über Mukoviszidose forschte und schrieb.
    So sehr Sophie hoffte, dass es nur Vorwand sein würde, um in Ruhe an der Erforschung der Blutsucht zu arbeiten, so hoffte sie auch, der Professor würde einen entscheidenden Schritt weiter in der Bekämpfung von dieser Krankheit kommen.
    Matt unterstützte seinen Onkel täglich, oder eher nächtlich, denn er tauchte merkwürdigerweise immer erst gegen Abend auf. Einmal hatte Sophie ihn deshalb mit dem Finger-Hals-Gruß begrüßt. Sicher war sicher. Der Gruß war weltweit bekannt und unterschied sich nur im Anlegen der Finger, den Berührungspunkten am Hals und der Anzahl der Finger.
    Aber er hatte es gar nicht bemerkt. Sophie war erleichtert, wusste allerdings nicht genau, warum.
    Merkwürdig war auch, dass der Professor nicht im Dienstplan eingetragen war. Weder an der Schautafel noch im Klinikprospekt tauchte sein Name auf. Außerdem gab es noch ein zweites Labor, auf der anderen Seite des Korridors, welches das offizielle Labor war. Das Labor des Professors war im Lageplan als medizinisches Lager eingezeichnet. Eine Röntgenabteilung, wie es ein Warnschild verkündete, war in einer Kurklinik für Haut und Atemwegserkrankungen überhaupt nicht vorgesehen. Das war ein erster Ansatz, aber weiter kam sie damit auch nicht in ihren Ermittlungen. Vielleicht erwartete sie auch zu viel auf einmal, tröstete sie sich.
    An der Rezeption wartend las sie amüsiert das TresenÜbergabebuch. Anja hatte ihr einen Hinweis darauf gegeben, dass sie Zimmer 206 besonders beachten sollte. Die junge Frau hatte Liebeskummer, weil 256 abgereist war. Anja schrieb natürlich Brustschmerzen und Atemprobleme, aber mit drei kleinen Herzen darüber. Damit wusste sie Bescheid.
    Sie selber schrieb in den medizinischen Übergabebericht, dass 278 erhöhten Blutzucker am Abend gemessen hatte. Daraufhin hatte sie ihn um 3 Uhr morgens noch einmal wecken müssen, zur Abnahme.Wie viel Blut sie ihm abnahm und auf welche Art und Weise, schrieb sie nicht.
    Anschließend war es still im Haus. Der Professor und Matt waren gegangen. Matt hatte ihr eine ruhige Nacht gewünscht und kurz schief gelächelt. Ihr Herz hatte daraufhin schneller und lauter geschlagen, doch nun war es so ruhig wie der Rest des Hauses. Die letzten Quälgeister hatten Wärmflaschen und Tee bekommen und waren eingeschlafen. Die Verliebten, oder zumindest Losgelassenen, waren in ihre eigenen Zimmer verschwunden und gaben Ruhe.
    Jetzt hieß es auf den Morgen warten, wenn nicht noch etwas dazwischen kommen sollte.
    Gelangweilt griff Sophie nach der Hinterbliebenenkiste, wie sie hier genannt wurde. Ein etwas makaberer Spitzname

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