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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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Stimme auf sie zu.
    Erschrocken drehte Sophie sich um und sah in das sichtlich amüsierte Gesicht eines Mannes, der die Arme nach seinem klapprigen Rad ausstreckte, während er auf sie zukam.
    Schlagartig nahm sie die Hände von dem Stamm.
    „Oh, Entschuldigung. Ich hätte ihnen sonst meines gegeben“, lächelte sie den Fremden an und zeigte auf ihr Rad.
    „Da hätte ich mich aber nicht verbessert“, lachte er bei dem Anblick des Rades.
    Mehr wussten sie nicht zu sagen. Sie standen auf der Auffahrt und lächelten sich an. Weder die Stille noch der Moment machten sie verlegen, es war einfach so, wie es war.
    Offen musterte er Sophie und in seinem Blick war nichts als Freundlichkeit und Neugier. Sie tat es ihm gleich und das erste, was ihr auffiel, war sein bezauberndes, schiefes Lächeln in einem ansonsten perfekt angeordneten Gesicht. Er musste Mitte dreißig sein, war etwas größer als der Durchschnitt, normal gebaut, nicht übermäßig sportlich. Jeans und Pullover Typ, mit kurzen braunen Haaren, die sich an den Haarspitzen etwas wellten.
    „Kann ich etwas für Sie tun?“ fragte er in die Stille, und seine Stimme und der Akzent ließen eine kleine Gänsehaut auf Sophies Armen zurück.
    „Ähem, nein, nein. Ich dachte nur gerade an meine Kindheit. Wir hatten auch so einen Baum vor dem Haus. Ich, ähm, wollte zum Museum“, stotterte sie.
    „Ich zeig Ihnen einen Weg dorthin, an dem Sie leicht ein paar Bäume umschubsen können“, lächelte er wieder sein schiefes Lächeln und schob wie selbstverständlich sein Rad zu ihrem herüber.
    Sophie folgte ihm den kleinen Sandweg zu den Klippen.
    Hier, fernab von den Straßen, ohne unnötige Geländewagen, war Sylt eine andere Insel, die wahre Insel, die Insel, die Sophie vor so vielen Jahren verlassen hatte. Jetzt standen sie an den Klippen und schauten in die Tiefe, in die Weite, in den Himmel. Ein schmaler Trampelpfad führte die Kante entlang und zur See geneigt standen einige Bäume gefährlich nahe am Abgrund. Diese hatte er wohl gemeint.
    „Hier ist das Museum“, deutete er mit dem Finger auf die Rückseite des Kapitänshauses, welches Sophie aus Kindertagen kannte.
    Doch sie hatte nicht die Absicht, jetzt ins Museum zu gehen. Sie schob ihr Rad weiter bis zu der kleinen Bank, die ein wenig entfernt am Pfad stand. Umständlich band sie die Schleife an ihrem Turnschuh neu und setzte sich dazu auf die Bank.
    Leider setzte er sich nicht zu ihr, sondern drehte sich nur kurz um und winkte ihr zum Abschied.
    Eilig nahm sie ihr Fahrrad wieder auf und versuchte ihm zu folgen, aber er war bereits in eine Stichstraße eingebogen.
    Gern hätte sie sich noch bedankt und seinen Namen erfahren. Auf der gesamten Rückfahrt nach Westerland grübelte sie darüber nach, ob sie ihn gerne gebissen hätte.
    Zu Hause angekommen bereitete sie sich auf den Dienstbeginn vor. Sie war aufgeregt, keine Frage. Weniger wegen der neuen Kollegen, der ungewohnten Umgebung, mehr wegen der Aufgabe, die sie sich zu lösen auferlegt hatte.
    Was war dran an der Sache mit dem aufgeflogenen Vampir. War die Gemeinschaft in Gefahr? Gab es vielleicht Hoffnung auf Heilung ihrer Blutsucht? Würde es schwer werden sich einzufügen und Informationen zu bekommen? Was würde sie mit Informationen tun; Alex benachrichtigen?
    Am ersten Tag würde sie nicht alle Fragen stellen können. Der erste Eindruck, den sie hinterlassen wollte, sollte ein vertrauensvoller, kompetenter Eindruck sein. Umso schneller konnte sie Vertrauen gewinnen. Allerdings ließ sich auch nichts erzwingen. Die Unruhe hatte jetzt ihren Nacken erreicht.
    Ihre Unruhe hatte allerdings noch einen weiteren Grund. Es war wieder soweit. Mal dauerte es eine halbe Woche, mal eine ganze, bis der Drang nach Blut in ihr die Oberhand gewann. Es war ein Drang, ein kurzzeitiges Verdrängen, das jedoch jedes mal wieder eine Illusion war. So oder so hatte und war sie verloren. Sie konnte nur lernen, damit umzugehen, und das gelang ihr nach neunzig Jahren immer noch nicht richtig.
    Mit geschlossenen Augen versuchte sie zu meditieren. Manchmal half es eine Zeit lang. Heute leider nicht, denn aus der Wohnung über ihr kam eine aggressive deutsche Rockband in ihr Wohnzimmer gedröhnt.
    Wenn es denn so sein musste, musste es sein, seufzte sie. In Puschen und Leggins ging Sophie ins Treppenhaus und klingelte an der Wohnungstür über ihr.
    Ein sehr junger Mann in Bäckerkleidung öffnete ihr die Tür. Verdutzt ließ er sie an sich vorbei ins Wohnzimmer gehen

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