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Zwielicht über Westerland

Zwielicht über Westerland

Titel: Zwielicht über Westerland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lindwegen
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gedrückt worden war. Er sah unendlich gequält aus. Gerne hätte sie ihm eine Brücke geschlagen, doch sie wusste nicht wie. Darum flüsterte sie nur:
    „Vergiss es, du warst gerade mal siebzehn und es ist ewig her.“
    „Ich weiß, aber ich hätte es nicht tun dürfen. Ich hätte mich mehr um dich kümmern sollen. Damals hab ich nicht erkannt, dass du im Begriff warst den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich war sauer auf dich, weil du aus dem Haus gehen durftest und ich mich um die Eltern kümmern musste. Vater wollte nicht, dass du zu Hause bliebst, weil er wusste, wie es um dich stand. Er wusste immer alles und bestand darauf, dass du unter Menschen kommst und arbeitest.“ Die emotionale Situation und der Gedanke an ihren liebevollen und klugen Vater ließen sie kurz aufschluchzen. Alex sah auf. Hatte sie Scham oder Reue in seinen Augen vermutet, so hatte sie sich getäuscht. In seinem Blick war Sorge, Sorge um sie. Er wusste um das, was noch kommen würde, wurde ihr klar. Er wusste, das es sie schwer treffen würde, aber er schien ebenfalls zu glauben, dass nun der richtige Zeitpunkt dafür währe, denn er gab Jan zu verstehen, dass er weiter machen sollte.
    „Erinnerst du dich an meine kleine Kammer unter dem Dach, die Vater für mich ausgebaut hatte? Mit dem Sprossenfenster in der Giebelseite? Dort habe ich die Zigarette von Wilhelm geraucht, als Vater mich gerufen hat. Unsere Mutter hatte so hohes Fieber, das sie kaum noch ansprechbar war. Kein Hausmittel hatte bislang geholfen. Er schickte mich mit seinem Fahrrad los, ich sollte Medikamente holen. Die Zigarette hatte ich auf die Kante des Bettgestells gelegt, weil ich dachte, ich würde gleich wieder obensein. Sie erschien mir zu kostbar, um sie auszumachen. Mit nach unten nehmen konnte ich sie auch nicht. Vater hatte verboten, unter dem Reet zu rauchen.“ Er rieb sich die Knie.
    „Als ich dann Mutter so daliegen sah, habe ich erst richtig den Ernst der Lage erkannt und bin Hals über Kopf los.“
    So war es also gewesen. Er hatte durch seine verdammte Leichtsinnigkeit, die er auch heute teilweise noch besaß, den Brand verursacht. Doch warum hatte er so lange geschwiegen? Warum bis heute? Die Wahrheit musste ihn all die Jahre doch geschmerzt haben. Hatte er so wenig Vertrauen zu ihr gehabt?
    Tränen liefen über ihr Gesicht.
    „Warum hast du es mir nicht gesagt? Warum nicht? Es war doch keine Absicht. Sicherlich, es war dumm von Dir, aber es war doch nicht vorsätzlich.“
    Noch immer sah er sie nicht an.
    „Als ich in Westerland ankam, sah ich an deinem Hals diese beiden Male, über die du mir nichts sagen wolltest. Später war mir klar, dass sie von Alex waren, deinem Paten. Ich dachte zuerst, du hättest dich mit einen Onduliereisen gebrannt oder so. Dann fiel mir die Zigarette wieder ein.“
    „Aber du hast kein Wort gesagt. Du wolltest nur, dass ich mitkomme und nach den Eltern sehe. Wir hätten vom Doktor aus im Keitumer Pastorat anrufen können. Wir hätten sie vielleicht noch retten können.“ Ihre Stimme kippte.
    „Ich weiß, aber ich hätte das mit der Zigarette sagen müssen und mit dem Brief. Ich habe mich einfach auf mein Glück verlassen. Es war ein Fehler und meine wirkliche Schuld.“
    „Und dann als wir vor dem lodernden Haus gestanden haben, hast du auch nichts gesagt. Am Tag danach, als man ihre Körper zu einem Klumpen vereint entdeckte, hast du ebenfalls nur geschwiegen. Du bist ein Feigling, Jan.“
    „Ihr habt damals immer gesagt, dass ich keine Verantwortung tragen kann. Dass ich ein Träumer bin, der sich nur auf andere verlässt. Mirwurde klar, dass ihr Recht hattet und traute mich nicht, das zuzugeben. Ich war geschockt, ich hatte gerade meine Eltern verloren.“
    „Aber es waren auch meine Eltern. Ich hatte ein Anrecht zu erfahren, was passiert war.“ Mit den Ärmeln ihres Pullovers wischte sie sich über ihre Wangen. „Du hättest es mir sagen müssen“, fuhr sie ihn an.
    Endlich hob er seinen Kopf und sah sie an. Erst jetzt erkannte sie, dass auch er geweint hatte.
    „Verdammt, Sophie. Du sagst immer allen, was sie hätten tun müssen oder was sie hätten sagen sollen. Du bist immer so selbstgerecht. Was denkst du, wie ich mich all die Jahre gefühlt habe? Ich habe es dir damals zwei Tage später gesagt und du bist förmlich ausgerastet. Du hast mich als Mörder beschimpft und geschlagen.“
    Sie runzelte die Stirn. „Das wüsste ich doch wohl.“
    Alex war aufgestanden und ging auf sie zu. „Es

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