Zwielicht
erhob es sich in der Ferne, überragte die verdorrte Landschaft ringsum. Vier Dreiecke, deren Spitzen zusammentrafen. Zunächst hatte Korlendir den Eindruck, es bestehe aus vielfarbigen Lichtern. Erst im Näherkommen und nun begann er zu rennen, obwohl er stundenlang zu Fuß unterwegs gewesen war erkannte er, dass es sich um ein massives kristallines Gebilde handelte.
Der Xel'naga-Tempel. Der Grund, weshalb die dunklen Templer beschlossen hatten, sich hier niederzulassen anstatt an irgendeinem der anderen Orte, die sie im Zuge ihrer langen Reise entdeckt hatten. Sie hatten das Hiersein des Tempels als Zeichen gewertet, und nun, als Korlendir auf diesen Tempel zueilte, der ihm wie ein leuchtendes Hoffnungsfanal vorkam, betrachtete auch er ihn als Zeichen.
In den vergangenen Jahren hatte er an einem solchen Ort gelebt. Tief unter der Oberfläche von Aiur befand sich ein Labyrinth aus geschwungener, wunderschöner leuchtender Harmonie, und die Geschmiedeten hatten es zu ihrer Heimat erkoren. Nicht das ganze Labyrinth, denn der Wohltäter hatte es ihnen verboten, bestimmte Bereiche zu erkunden, aber einen großen Teil davon. Die Xel'naga hatten jene Räumlichkeiten unter Aiur erschaffen, und sie hatten auch diesen atemberaubend schönen Tempel erbaut, der sich den wirbelnden blauen Wolken entgegenstreckte.
Als er näher kam, verlangsamte er seinen Schritt. Er fragte sich, wie man ihn wohl empfangen würde, und schließlich stand er zögernd am Fuß der Treppe, die nach oben führte. Ein Geräusch erreichte sein Ohr eine Art Summen, ein klingender Laut, eher melodisch als zufällig. Für einen Moment schloss er die Augen, um diesem Ton besser lauschen zu können. Dann, immer noch auf diesen unheimlichen Laut horchend, öffnete Korlendir die Augen, reckte den Hals und nahm die bloße Schönheit des Bauwerks in sich auf. Ein Gedanke streifte die seinen, sanft und weich.
„Willkommen, Bruder, im Tempel der Xel'naga."
Korlendir drehte sich um und blickte auf einen, davon ging er aus, Akolythen des Tempels. Die Gestalt, die von hellgrauer Farbe war, verbeugte sich tief. Sie trug ein weißes Gewand, das in kunstvoller Lässigkeit um den Körper geschlungen war. Im Licht dieses heiligen Ortes schien das Kleidungsstück sanft aus sich selbst herauszustrahlen. Etwas friedvolles ging von dem Akolythen aus.
Korlendir, als Templer geboren und aufgewachsen, salutierte dem Akolythen steif und förmlich. Er kam sich plump und unbeholfen vor an diesem Ort scheinbar zerbrechlicher Schönheit und neben diesem zart gebauten Templer, dessen Name, wie er wusste, Taarim war. Die Räumlichkeiten unter Aiur waren jenen, in denen er nun stand, ähnlich, aber nicht ganz gleich.
Taarim las seine Oberflächengedanken und strahlte. „Ah! Du bist einer von unseren verlorenen Brüdern, die aus unserer alten Heimat, nach der wir uns noch immer sehnen, zurückgekehrt sind. Sei uns willkommen. Was führt dich in den Tempel?"
„Ich... ich weiß es nicht", antwortete Korlendir wahrheitsgemäß. „Ich hatte nicht das Gefühl, woanders hinzugehören."
Er begegnete Taarim nicht in der Khala, nicht ganz, aber er legte seine Gedanken und Erfahrungen vor dem jüngeren Protoss freimütig offen. Taarim tat dasselbe, und Korlendir erfuhr, dass nun die Angehörigen der Blutlinie der Shelak als Hauptwächter des Tempels fungierten, obgleich sie keine dunklen Templer waren. Sie verstanden und hüteten die Artefakte der Xel'naga schon lange, daher war es keine schwierige Entscheidung gewesen, dieses kostbare Vermächtnis in ihre Obhut zu geben.
„Ja... ich und die anderen Abkömmlinge der Shelak wurden geboren, um uns um diesen Ort zu kümmern", sagte Taarim und breitete die Arme weit aus, wie um den ganzen Tempel zu umschließen. „Aber bisweilen werden auch andere hierher gerufen, andere, die nicht von den Shelak abstammen. Judikatoren oder Khalai oder...", Taarim schloss halb die Augen und neigte den Kopf, „... Angehörige der Templerkaste, darauf kommt es hier nicht an. Selbst einige der dunklen Templer sind hiergeblieben und arbeiten mit uns zusammen. Für manche sind die Lieder des Kristalls nichts weiter als schöne Laute. Für andere singen sie direkt zu ihren Seelen."
Emotion stieg in Korlendir auf. Er wankte, und Taarim fasste ihn am Arm, um ihn kraftvoll und doch sanft zu stützen. „Du hast so vieles durchgemacht", sagte der Shelak. „Komm, mein Bruder, denn wenn ich mir einer Sache sicher bin, dann der, dass du hierher
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