Zwielicht
Belustigung erfüllte ihn. Er teilte sie mit ihr. Doch neben ihnen saß, immer noch wütend und mehr als nur ein wenig verwirrt, Korlendir und schwieg.
Kurz nach Rishagar war Exekutor Selendis gekommen. Korlendir hatte schon gewusst, dass nun eine Protoss jenes Amt der Macht besetzte, das früher von Tassadar bekleidet worden war; dennoch fand er es eigenartig. Raszagal, die verstorbene Matriarchin der dunklen Templer, hatte ihr Volk viele Jahrhunderte lang geführt. Er hatte erfahren, dass es unter den dunklen Templern keineswegs ungewöhnlich war, Machtpositionen mit weiblichen Protoss zu besetzen. Aber er war solcherlei nicht gewohnt. Im Konklave hatte es das nicht gegeben, und unter den Templern kaum. Diese mächtige Frau in ihrer wunderschönen glänzenden Rüstung zu sehen, ihren Blick auf sich zu spüren, bereitete ihm Unbehagen.
Nur zögerlich folgte er ihrer Führung und trat wieder ein in die Khala. Ausgelaugt, sowohl von den körperlichen als auch den geistigen Anstrengungen der Entgiftung, war es für ihn eher unangenehm als beruhigend, in Gesellschaft eines solch starken Geistes in die Khala zurückzukehren. Dennoch war ihre Freude darüber, dass er entkommen war, ebenso echt wie ihre Sorge um die Terraner.
Dann hat die Menschenfrau also nicht gelogen. In dem Menschenmann ist tatsächlich der Geist einer Bewahrerin gefangen. Und auch sie befand sich in den Klauen des Sonnentropfens.
Sie bezog ihre Informationen aus allem. Korlendir wehrte sich nicht gegen Selendis, doch gelang es ihm nicht, seine Verärgerung vor ihr zu verheimlichen. Sie machte es kurz, und bevor sie sich zurückzog, dankte sie ihm und sandte ihm Ruhe. Es half ein wenig.
War die Vereinigung in der Khala immer so gewesen? Korlendir war ein Templer. Er hatte, wie alle anderen Protoss, die er gekannt hatte, die rebellischen dunklen Templer immer verachtet und ein wenig gefürchtet. So hatte man es ihm beigebracht. Nun aber bescherte ihm diese enge Verbindung, in der keine Empfindung, kein Gedanke vor dieser Fremden verborgen war, ein Gefühl zu großer Verletzlichkeit.
Selendis war offenkundig besorgt von dem, was sie erfahren hatte. Trotzdem verneigte sie sich vor ihm, als sie fertig war, und schritt weiter zu Vartanil. Korlendir durfte jetzt gehen. Es gab hier, in der Hauptstadt von Talematros, einen Ort, wo Aufzeichnungen gelagert wurden. Wie alle anderen hatte man auch Korlendir aufgefordert, dorthin zu gehen, um seine Familie ausfindig zu machen. Sollte ihm das nicht gelingen falls seine Familie auf Aiur gestorben war -, würden Selendis und die anderen Templer ihn aufnehmen. Kein Protoss war ohne Bleibe, ohne Amt, ohne Rolle, die er zu spielen hatte.
Außer Korlendir.
Er musste feststellen, dass es ihn nicht sonderlich kümmerte, ob seine leibliche Familie überlebt hatte. Die Geschmiedeten waren zu seiner Familie geworden, an deren Spitze der Xava'tor stand. Der Sonnentropfen hatte für Ruhe und Behaglichkeit gesorgt. Vielleicht hatte er sie tatsächlich aus der Khala vertrieben, aber nach dem, was Korlendir gerade erlebt hatte, war er nicht sicher, ob das wirklich so schlimm war. Sie waren sich auch unter der Obhut des Xava'tors nahe gewesen. Obwohl sich herausgestellt hatte, dass der Wohltäter seinem Ursprung nach von den dunklen Templern abstammte, noch dazu ein dunkler Archont war, fragte Korlendir sich, den Gedanken sorgsam abschirmend, ob man Ulrezaj nicht vielleicht unrecht getan hatte.
Korlendir sah zu Vartanil hinüber. Er und Selendis saßen sich Handfläche an Handfläche gegenüber, und der junge Khalai war von tiefer Ruhe und Glückseligkeit erfüllt. Einen Moment lang beneidete Korlendir ihn darum.
Er blieb noch eine Weile sitzen, dann stand er auf und verließ das Gebäude.
Er ging weder dorthin, wo die Aufzeichnungen aufbewahrt wurden, noch zum Turm der Templer. Er ließ sich von seinen Füßen tragen, wohin sie wollten. Sie führten ihn durch die Stadt, die in fast ewiges Zwielicht getaucht war und übersät mit den merkwürdigen architektonischen Bauten, die, wie er allmählich begriff, typisch waren für die dunklen Templer. Korlendir sah einmal zu ihnen auf, dann senkte er den Kopf. Er lief fast den ganzen Tag lang umher, bis die Gebäude um ihn herum spärlicher wurden und sich der purpurne, dunstige Himmel über ihm öffnete. Endlich hob er den Kopf wieder an, und seine Augen weiteten sich ob dessen, was er sah. Er wusste, was es war, auch wenn er es noch nie zuvor gesehen hatte.
Majestätisch
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