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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christie Golden
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Ziel zu erreichen. Aber die Rituale und Gepflogenheiten hatten sich dergestalt entwickelt, dass die Wand des Wissens in weiten Teilen unangetastet blieb. Als Grund dafür führte man an, dass zwar alles Wissen als wichtig angesehen werde, aber nicht alles Wissen nützlich sei. Manches Wissen galt als zu gefährlich, um ans Licht gebracht zu werden, selbst unter den Alysaar. Er würde sich noch viele, viele Jahrzehnte lang am Kelch abplagen müssen, ehe man ihn für eine so begehrte Aufgabe auch nur in Betracht ziehen würde. Und dieses Wissen nagte an ihm.
    Der Gedanke war ihm schon zuvor gekommen. Die Wand mochte ihm zwar verboten sein, aber sie wurde nie bewacht. Und ganz gewiss nicht bei Nacht, wenn all die Jünger schliefen. Er hatte alles genau durchgeplant: Wie er nachts wach bleiben würde, nur um nachzusehen, was die Wand des Wissens barg, welche Geheimnisse in ihr steckten, und um einen Blick auf jene wenigen Auserwählten zu werfen, die für würdig genug erachtet wurden, um diese Informationen anzuzapfen. Aber irgendetwas hatte ihn stets zurückgehalten. Vielleicht war es Respekt vor der Tradition. Oder der Wunsch, sich letztlich selbst als vertrauenswürdig zu erweisen.
    Oder vielleicht war es auch einfach nur Angst.
    Genau in diesem Augenblick, als das Singen der Kristalle gerade verklang und der Nachthimmel völlig schwarz wurde und die Hüter sich umwandten und zu Bett gingen, um in tiefen, erfrischenden Schlaf zu fallen, verschwand diese Angst auf einmal. Kein Warten, kein Zögern mehr. Er war jetzt seit vierzig Jahren hier. Sollte er noch einmal vierzig ausharren, sich weiterhin davor fürchten, die Gelegenheit zu ergreifen, die direkt vor ihm lag?
    Nein.
    Rasch verbarg der junge Mann seine Überlegungen. Es war unwahrscheinlich, dass jemand darin las. Zumeist waren es nur oberflächliche Gedanken, die zu hören waren, es sei denn, man war in eine private Unterhaltung vertieft. Und jetzt war jedermanns Aufmerksamkeit aufs Schlafen konzentriert. Er täuschte Müdigkeit vor, als er mit den anderen Alysaar zu den Schlafquartieren ging. Die Betten bestanden aus Decken, die auf dem kahlen Steinboden lagen. Hier gab es nicht viele Annehmlichkeiten. Die Jünger führten ein schlichtes, fokussiertes Leben. Heute Nacht, da die neue Entschlossenheit in seinem Kopf brannte, sah der junge Mann alles mit neuen Augen. Die Alysaar waren Verwalter des bedeutendsten Wissens, das die dunklen Templer besaßen. Und doch begnügten sie sich damit, einfach auf dem Boden zu schlafen, sich vom Himmel der Dämmerung zu ernähren und Wissen von einem Kristall in den anderen zu übertragen, anstatt es wirklich zu erfassen und daraus zu lernen.
    Welche Schätze waren in diese glitzernden Kristalle eingeschlossen? Welche Informationen, Einsichten, Wunder, Macht? Welche Mittel, die den dunklen Templern helfen würden, sich vor den Protoss, die sie vertrieben hatten, zu schützen und sie sogar zu übertreffen? Er war so aufgeregt, dass er kaum imstande war, lange genug liegen zu bleiben, um den Anschein zu erwecken, er schliefe während er in Wahrheit darauf wartete, dass die anderen entschlummerten. Nach einer Weile berührte er den Geist der anderen behutsam mit dem seinen, und als er sicher war, dass sie alle tief in ihren Träumen versunken waren, stand der junge Mann auf. Seine Füße verursachten auf dem kühlen Steinboden kaum ein Geräusch, als er sich vorsichtig auf den Weg zur Wand des Wissens machte.
    Gespannt, hungrig blickte er darauf. Wo sollte er anfangen? Hier gab es so viel Wissen... wie sollte man sich da für nur einen Kristall entscheiden? Die Aufgabe war entmutigend und motivierend zugleich. Er beruhigte seine Gedanken, streckte seine nur leicht zitternde Hand aus und ließ seine Finger sich zufällig um einen Kristall schließen.
    Und als er hinabschaute auf den glitzernden Splitter, der in seiner hohlen Hand lag, erhaschte der junge Mann einen ersten flüchtigen Blick auf wahre Macht.

    KAPITEL 1

    Wir müssen gehen, Rosemary.
    Rosemary Dahls Kopf ruckte hoch, als Zamaras Stimme in ihrem Gehirn aufklang. Sie glaubte nicht, dass ihr diese Form der Kommunikation je wirklich angenehm sein würde, aber in den vergangenen paar Minuten, während derer sie und die Protoss in Jakes Denken zusammengearbeitet hatten, um das beschädigte Warp-Gate zu reparieren, hatte sie sich zumindest daran gewöhnt. Sie schoss noch einmal auf die Zerg, die für ihren Geschmack viel zu nah um sie herumschwärmten, obwohl ihr Ziel

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