Zwielicht
suchte sie nach jemandem, der es wagte, ihr zu widersprechen. Doch das tat niemand.
„Es heißt, nichts könne auf ewig verborgen bleiben, wenn es gefunden werden will. Dass Lektionen, die beim ersten Mal nicht verstanden wurden, immer wieder erteilt würden, bis wir sie gelernt haben. Vor einer solchen Situation stehen wir jetzt. Die Lektion will begriffen und angenommen werden, und das einst unausgesprochene Geheimnis will sich mitteilen. Diejenigen, die es kannten, wahrten Schweigen darüber, weil sie wirklich glaubten, dass es keinen Nutzen bringen und nur Schaden anrichten würde, darüber zu sprechen.
Zu ihrer Zeit mögen sie damit recht gehabt haben heute liegt die Sache anders. Hierarch, ich werde es ihnen sagen."
Alle im Saal beugten sich vor. Geistiges Raunen, das von Überraschung kündete, strich sanft um Rosemarys Gehirn. Sie hatte schon einen Schock weggesteckt, als sie erfuhr, dass zumindest die Hierarchie von Ulrezaj wusste, und nun wappnete sie sich für einen weiteren. Was für eine Bombe wollte Selendis platzen lassen?
Artanis' Reaktion und der plötzlichen Stille nach zu schließen, die bedeutete, dass man sich persönlich miteinander unterhielt, handelte es sich um eine große. Artanis lehnte sich zurück. Er wirkte unfroh, resignierte aber, und Selendis wandte sich an die Versammlung.
„Der Angriff auf Shakuras", sagte sie in feierlichem Ernst, „war nicht unsere erste Begegnung mit Ulrezaj. Wir stießen schon kurz vorher auf ihn und seine Kohorte... als wir eine kleine Flotte von Protoss auf eine Rettungsmission nach Aiur schickten."
Rosemary knirschte unter dem geistigen Schmerz, den diese Eröffnung hervorrief, mit den Zähnen und presste die Hände gegen die Schläfen.
„Ihr wusstet, dass es auf Aiur Überlebende gab?"
„Warum schickten wir keine größere Flotte?"
„So viele hätten gerettet werden können!"
Selendis hob eine Hand. „Wir gingen davon aus, dass nur eine geringe Chance bestand, auf eine Handvoll Einzelner zu stoßen", erklärte sie. „Wir rechneten damit, dass wir nur die drei Templer finden würden, die überlebt hatten, weil sie sich in ihren Stase-Zellen befanden. Als wir sahen, was auf Aiur wirklich vorging..."
Artanis ergriff das Wort. „Zeratul und ich kamen überein, dass es uns nichts nützen würde, eine größere Rettungsmission zu organisieren."
Selendis wandte sich ihm zu.
„Letzten Endes", fuhr er fort, „war es meine Entscheidung, Selendis unsere Brüder und Schwestern nicht zu retten... und vor der Welt Schweigen darüber zu bewahren."
Rosemary funkelte ihn an. „Ihr herzloser -"
Urun stieß ein geistiges Brüllen aus, so machtvoll, dass Rosemary fast die Besinnung verlor. Vartanil griff zu, stützte sie und tat sein Möglichstes, um sie vor dem telepathischen Bombardement zu schützen, obgleich er selbst unter der Erkenntnis wankte, dass er schon vor vier Jahren hätte gerettet werden können.
„Unser Volk stirbt dort!", dröhnte Urun. „Ihr habt uns gesagt, wir seien nicht stark genug, gegen die Zerg zu kämpfen, unsere Welt zurückzuerobern... Ihr habt uns in dem Glauben gelassen, es gebe keine Überlebenden, die zu retten seien!"
„Wir erwarteten, nur diejenigen zu finden, die sich in den Stase-Zellen befanden", wiederholte Artanis. „Wir waren schockiert und wie gelähmt, als wir herausfanden, dass noch mehr überlebt hatten. Und noch während wir vor Ort waren, sahen wir, dass die Zerg nach wie vor auf Aiur tobten, unser Volk überwältigten... vor unseren Augen abschlachteten, und wir waren zu wenige, um ihnen zu helfen. Selbst wenn wir eine Rettungsaktion gestartet hätten, wäre bis dahin auf Aiur niemand mehr übrig gewesen, den man hätte retten können."
„Das stimmt", warf Vartanil überraschend ein. Aller Augen richteten sich auf ihn. „Niemand konnte wissen, dass die Zerg aufhören würden, uns anzugreifen... Niemand konnte damit rechnen, dass wir einen Wohltäter finden würden." Er hob den Kopf und sah Artanis an.
„Herauszufinden, dass es noch so viele gab und dass sie in diesen vier Jahren so vieles durchmachen mussten... ich glaube nicht, dass auch nur einer unter uns ist, den dies nicht berührte. Zumal unter denjenigen von uns, die wussten, dass einige überlebt hatten, und glaubten, ihr wärt nur wandelnde Tote", sagte Selendis unverkennbar bewegt.
Vartanil nickte. „Ich... verstehe Eure Entscheidung, Hierarch."
Andere taten das noch immer nicht, darunter Urun, aber sie konnten ihren Protest nicht
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