Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
reale Möglichkeit, oder philosophieren Sie über einen Haufen Mist?«
»Ich weiß es nicht. Ich hoffe, dass es möglich ist. Ich habe ein Druidenritual entdeckt, das dem Tod gewidmet ist. Ein Blutritual für das Jenseits, das dazu dient, eine Plage zu beenden. Man braucht dazu ein freiwilliges menschliches Opfer. Was, wenn das Ritual wörtlich gemeint ist? Was, wenn man ein Leben braucht, um einen fortwährenden Tod zu beenden? Das leuchtet mir ein. Es ist eine Lösung, die sich durch eine gewisse Symmetrie auszeichnet. Wenn man für einen Tod mit einem Leben bezahlt, ist das Konto wieder ausgeglichen.«
»Ich sterbe, und Jacob stirbt?«
»Das ist zwar stark vereinfacht ausgedrückt, aber ja.«
Adam setzte sich auf seinem Stuhl zurück. »Aber es gibt noch mehr Geister dort draußen. Tausende. Was ist mit denen?«
Die Hand des alten Mannes zitterte, als er seinen Becher hob. »Ich schätze, das erfordert … «
»Die Leute werden nicht gerade Schlange stehen, um ihr Leben für einen Geist zu opfern. Zum Teufel, ich will nicht für einen Geist sterben, noch nicht einmal für meinen Bruder.«
»Natürlich nicht.«
Adam stand abrupt auf; sein Stuhl wankte. »Und jeden Tag entstehen neue Geister. Irgendjemand oder irgendetwas dort draußen verändert die Leute, und ich muss herausfinden, was es ist. Ich kann nicht zulassen, dass das so weitergeht.«
»Sie haben mich gebeten, einen Weg zu finden, wie man Jacob umbringen kann. Ich glaube, dass ich ihn gefunden habe. Etwas Ähnliches muss früher schon einmal geschehen sein, und damals wurde ein Weg gefunden, das Ganze zu beenden. Es ist schrecklich, ja. Aber die Alternative ist genauso schrecklich.«
Wenn Adam ihm überhaupt zugehört hatte, ging er jedenfalls nicht darauf ein.
»Ich muss zuerst die Quelle beseitigen, egal ob aus Rache oder nicht. Dann kümmere ich mich um meinen Bruder.« Adam schritt an dem Tresen auf und ab. Seine Anspannung schwappte in derart großen Wellen über Talia hinweg, dass sie ebenfalls aufstand und sich nach den Schatten sehnte.
Philip hob beschwichtigend die Hand. »Es muss ja nicht jetzt sein. Leben Sie Ihr Leben. Wenn Sie bereit sind zu gehen, beenden Sie beide Leben gleichzeitig.«
»Was, wenn mir in der Zwischenzeit etwas zustößt? Ein Autounfall? Eine Krankheit?«
Philip zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
»Das wissen Sie nicht. Nun, ich weiß es auch nicht. Sechs Jahre, und ich weiß nichts. Was muss ich noch alles für dieses Monster opfern?«
»Adam … «
»Verdammt. Jacob hat vor einer Weile versucht, mich umzubringen, und es sieht so aus, als würde er seinen Willen bekommen.« Steifbeinig verließ Adam die Küche und verschwand in der Dunkelheit der angrenzenden Räumlichkeiten.
Talia blickte zu Philip, der wieder sein belegtes Brot in die Hand genommen hatte.
Er sah zu ihr hinüber. »Wollen Sie ihm denn nicht hinterhergehen?«
Talia schreckte auf. Wieso ich? Er war schließlich derjenige, der die Bombe hatte platzen lassen. Musste er sich nicht darum kümmern, wie es Adam ging?
»Ein hübsches Mädchen wie Sie sollte wissen, was sie zu tun hat. Gehen Sie.« Philip biss von seinem Brot ab.
Er war ein grässlicher alter Mann, anzüglich …
Talia blickte in die dunklen Räume neben der Küche. Sie konnte Adam deutlich erkennen. Er schritt auf die Terrassentür zu. Seine breiten Schultern wirkten angespannt, seine Schritte lang und schnell. Wenn sie an seiner Stelle wäre, hätte sie ebenfalls hier herausgewollt.
»Gehen Sie schon«, drängte Philip. »Ich räume hier auf.«
Talia blickte zu ihm hinüber. »Sie hätten ihm nicht … «
»Die Wahrheit sagen dürfen? Seien Sie nicht albern. Er ist auf die Wahrheit angewiesen. Los, gehen Sie.«
Talia wollte nicht eine Sekunde länger mit diesem alten Mann verbringen. Sie machte sich auf den Weg in die dunkle Leere. Sie würde in ihre Wohnung zurückgehen und über alles nachdenken. Es wurde zu kompliziert. Geriet außer Kontrolle. Besser, sie zog sich ein bisschen zurück.
Sie betätigte den Fahrstuhlknopf und wartete in der marmornen Halle, doch auf einmal fühlte sie sich zu der Terrassentür hingezogen. Denn davor stand ein Mann und kämpfte mit einem unbekannten, aber ganz sicher schrecklichen Schicksal. Wenn irgendjemand ihn verstehen konnte, dann sie.
Zumindest rechtfertigte sie so vor sich selbst, dass sie den Code eingab und auf die Terrasse hinaustrat.
Die Nacht quoll über von Gerüchen. Gras und Pinien dufteten am
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