Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
sie erst recht nicht.
Eine Todesfee. Was zum Teufel war das überhaupt? Bestimmt nichts Gutes.
»Ihr wollt, dass ich noch einmal schreie?« Ihr Hals war zu rau. »Ich glaube, ich kann nicht.«
»Vielleicht kannst du einfach nur nach ihr rufen«, schlug Jim vor. »Wenn es nötig ist, können wir das mit dem Schreien ja immer noch versuchen.«
Klar. Der hatte leicht reden.
»Je eher du es versuchst, desto früher können wir uns auf den Weg machen«, sagte Adam.
Sie seufzte – das war das Vernünftigste, was sie gehört hatte, seit Jim sie geweckt hatte.
»Lady Amunsdale«, sagte Talia und blickte sich im Raum um.
Nichts. Lächerlich.
Sie versuchte es noch einmal, lauter, etwas melodramatischer. »Lady Amunsdale. Bitte beehren Sie uns mit Ihrer Anwesenheit.«
Stille.
Jim vergrub das Gesicht in den Händen, sein Glatzkopf lief rot an. Talia bedauerte ihren spöttischen Tonfall. Der Mann war zwar verrückt, aber auch hoffnungslos verliebt.
»Du bist zu freundlich«, stellte Adam fest. »Vielleicht kommt sie erst, wenn man im Befehlston mit ihr spricht.«
Talia verdrehte die Augen. Befehlen – das konnte Adam gut. Noch ein letzter Versuch, dann würde sie aufgeben.
Sie sprach lauter. »Kommen Sie her, Lady Amunsdale. Sofort.«
Pause, dann war ein verzerrtes Wimmern zu hören.
Ruckartig drehte Jim den Kopf und sah sich mit hoffnungsvoller Miene suchend um.
Eine weibliche übersinnliche Stimme voller Leid umfing Talia und trieb eine Gänsehaut über ihren Körper. Adam legte seinen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Talia spürte seinen heftigen Herzschlag, aber seine sonstigen Gefühle wurden durch einen undurchdringlichen Schutz von ihr abgeschirmt.
Jim schwang herum. »Therese?«
Nichts.
Jim wandte sich wieder an Talia. »Bitte.«
Talia wollte nicht mehr. Sie wollte nicht wissen, wozu sie in der Lage war. »Lady Amunsdale? Sind Sie hier?«
»Nein«, erwiderte die Stimme flehend, wobei sie die Silben in die Länge zog und abwechselnd lauter und leiser klang.
Talia drehte sich um, erschauderte und vergrub ihr Gesicht an Adams Brust. Das durfte nicht wahr sein. Sie wollte das alles nicht. Dämon. Schattenmann. Geist. Was sollte das für ein Leben sein? Kein Wunder, dass sie so eigen war. Sie war dazu bestimmt, allein zu sein und sich zu ängstigen.
»Wir müssen wissen, was mit Spencer ist. Frag sie, Talia«, murmelte Adam in ihre Haare. »Dann können wir gehen. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Talia stöhnte. Sie wollte nicht.
»Denk an Patty«, insistierte Adam härter.
Wie vom Schlag getroffen rückte Talia von ihm ab und stieß seine Arme von sich. Patty. Natürlich. Sie konnte in Adams Armen keinen Trost erwarten, sie hatte Patty auf dem Gewissen. Sie verdiente keinen Trost.
Wenn Patty einen Geist küssen konnte, dann – Talia schob ihre Bedenken beiseite. »Sind Sie hier?«, rief sie.
»Jaaaa«, schluchzte die Stimme.
»Therese!« Jim wirbelte im Kreis herum. »Hier ist Jim. Wir tun Ihnen nichts.«
»Zeigen Sie sich«, sagte Talia.
»Ich bin hier«, erwiderte Lady Amunsdale. Aber ihr Ton machte deutlich, dass das nicht aus freien Stücken geschah.
Talia konnte sie nicht sehen, aber sie spürte, wie sie federleicht ihre Sinne streifte. Sie war eindeutig hier. Oder zumindest ganz in der Nähe.
Talia zog an den Schatten. Der Raum wurde dunkler. Erhielt mehr Tiefe. Bestand aus mehreren Schichten.
Jemand ergriff von hinten ihre Arme. Das musste Adam sein, der ihren Blick teilen wollte. Um durch sie den Geist zu sehen. Praktischerweise fasste er nicht ihre Hände, sondern tastete nach anderen nackten Hautstellen. Die Ärmel ihres Pullovers ließen sich nur schwer nach oben schieben. Deshalb glitten seine warmen Hände zu ihrer Taille und weiter über ihren Bauch.
Über die Berührung ihrer Haut spürte sie seine drängende Ungeduld ebenso unmittelbar wie seine Nähe. Sie ignorierte seine übrigen Gefühle – sein Brennen, sein Begehren und vor allem seinen Kummer. Und sie verdrängte, leugnete, wie sehr seine Wärme die Kälte der Schatten vertrieb.
In die Dunkelheit hinein fragte Jim gedämpft: »Talia? Adam? Ich kann überhaupt nichts sehen. Wo seid ihr?«
»Ruhig«, erwiderte Adam. »Bleib, wo du bist. Talia sucht nach ihr.«
»Aber … «
»Still!«
Etwas glänzte. Hinter einer schwarzen Wolke blitzte ein Stern hervor.
Talia zog den dichten Schatten zur Seite und fand sich einem unglücklichen Kind gegenüber. Blonde Ringellocken kringelten sich um ein wütendes
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