Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
bevor er nicht mehr dazu kam.
»Fahr von der großen Straße runter, Layla.« Es überraschte ihn selbst, wie ruhig er sprach.
»Auf keinen Fall.«
»Wir können so nicht weitermachen«, beharrte der Schattenmann. »Vertrau mir. Lass mich mit ihnen reden.«
»Die Engel werden schon das Richtige tun. Stimmt’s?« Doch sie klang nicht überzeugt.
In Wahrheit taten die Engel was sie für richtig hielten , ganz egal, ob es tatsächlich das Richtige war . Sie richteten sich nach ihren eigenen Maßstäben. In erster Linie ging es ihnen um das Wohl der Menschheit. Ein Magier, der ein Tor zur Hölle errichtet hatte, musste zweifellos von der Erde entfernt werden. Es sei denn, er wollte erst noch einen Teufel bekämpfen.
»Diese Straße ist gefährlich, Layla«, versuchte er sie zu überzeugen. »Lass uns runterfahren, bevor jemand zu Schaden kommt.« Bevor dir etwas passiert.
»Custo tut dir nichts, und der ist ein Engel«, hielt sie dagegen und versuchte, sich selbst zu überzeugen.
Sie nahm eine Seitenstraße, und die Wagen folgten ihnen wie eine Horde seltsamer Gänse. An der nächsten Ecke bog sie nach rechts ab und rollte langsam weiter. Die Straße war breit und zu manchen Tageszeiten sicher gut befahren, doch jetzt kamen nur wenige Autos vorbei. Die Gebäude wirkten grau, leblos und still. Auf den Bürgersteigen war kaum eine Menschenseele unterwegs.
Der Schattenmann bemerkte die vor ihnen liegende Kreuzung. Perfekt. »Halte hier.«
Ihr Begleitgeschwader ließ Layla keine andere Wahl, als mitten auf der Straße stehenzubleiben.
»Gut«, sagte er. »Bleib im Wagen.«
Natürlich stieg sie zusammen mit ihm aus.
Auch die Engel verließen ihre Fahrzeuge. Ihre wunderschönen, strahlenden Gesichter wirkten unheilvoll. Zwei näherten sich von der einen, vier von der anderen Seite und eine weitere Gruppe von hinten. Modern gekleidete Männer und Frauen, die himmlische Waffen bei sich trugen. Ballard befand sich rechts von ihm. Plötzlich erinnerte er sich an den ersten Tag, als er mit Layla auf der Straße in der Stadt gestanden hatte. Damals waren die Engel ebenfalls aus dem Nichts aufgetaucht und hatten sie beobachtet.
Er ging auf Ballard zu, der sich sofort bereit machte zuzuschlagen.
Der Schattenmann blickte hinunter auf die Streitaxt in Ballards Hand. Die Krümmung der silberblauen sichelförmigen Klinge verlief entgegengesetzt zu der seiner Sense, die Handhabung schien jedoch ähnlich. »Darf ich mir die einen Augenblick ausleihen?«
Ballard zog die Brauen zusammen, seine Konzentration war dahin. Er schürzte die Oberlippe. »Du meinst, ich würde … «
»Ich brauche etwas, um den Teufel zu erlegen.« Der Schattenmann richtete den Blick auf die Kreuzung vor ihnen. Er hoffte, dass Ballard wusste, wie man einen Teufel heraufbeschwor und ihn verstand. An einer Kreuzung waren die Grenzen zwischen den drei Weilten dünn, selbst die zur Hölle. Dort hörten Tor und Teufelsfrau seine Bitte um einen Handel und mussten reagieren. Einen Pakt mit dem Teufel zu schließen, hatte bei den Menschen eine lange Tradition. In Geschichten und Liedern lebte sie bis in die moderne Zeit fort. »Es ist meine Pflicht. Ich habe das Tor gebaut, durch das die Frau entkommen ist. Wenn ich heute kämpfe, sollte ich am besten mit ihr anfangen. Findest du nicht?«
Mit finsterem Blick reichte Ballard ihm widerwillig die Waffe. »Du suchst den Kontakt zur Hölle ein bisschen zu häufig.«
»Allerdings.« Der Schattenmann nahm die Axt. Die Waffe lag genauso gut in seiner rechten Hand wie Jahrtausende lang seine Sense. Anders als der Hammer dem Tod verbrannte sie nicht seine Haut. Er griff den Schaft dicht bei der Klinge, nahm seine Haare zusammen und schnitt ein ordentliches Stück ab.
»Nicht!«, flehte Layla zu spät. Töricht. Die Haare behinderten ihn beim Kämpfen, und er wollte diesen Kampf gewinnen.
»Danke«, sagte der Schattenmann zu Ballard. »Du bekommst die Waffe in Kürze zurück.«
Er wandte sich zu Layla um, die eine Hand auf seinen Arm gelegt hatte.
»Was ist los?« Ihr Blick glitt von ihm zu Ballard. »Was für einen Wahnsinn hast du vor?«
Er küsste sie sanft auf ihre weiche Wange. »Du hast Moira für mich gedemütigt. Lass mich diese Kleinigkeit für dich tun.«
Sie blinzelte verwirrt.
»Vertrau mir.« Er schritt die Straße hinunter zur Kreuzung.
»Aber … ?«, rief sie hinter ihm her.
Beschwichtigend hob er die Hand, drehte sich jedoch nicht mehr um. Als er sich in der Mitte der Kreuzung aufbaute,
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