Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
ließ sich nicht auf ihr Spiel ein. »Ich will zurück in meine Zeit. Kannst du mir helfen?«
»Sag die Worte.« Therese zeigte ihr süßes Lächeln, dann schrie sie: » Sofort!«
Hastig wich Layla zurück. »Ich kenne die Worte nicht.«
Therese beugte sich aufmerksam vor: »Doch, du kennst sie. Toter Mann, toter Mann, steh auf … «
Oh. Das hatte Layla schon einmal irgendwo gehört.
»Ich zähl bis fünf, dann stehst du auf.«
Layla wich noch weiter vor Thereses irrem Gesichtsausdruck zurück. Sich hinzusetzen hatte sich als Fehler erwiesen. Sie stand auf und trat erneut auf Zoes Wohnung zu. Alles schien besser als die Gesellschaft dieses Gespensterkindes.
»Sag es!«, schrie Therese hinter ihr, dann fügte sie in einer Art Singsang hinzu: »Ich lasse dich gehen. Sag nur: Toter Mann, toter Mann, steh auf!«
Wohl kaum. Layla war nicht so dumm, etwas von einem toten Mann zu erzählen, der lebendig werden sollte, schon gar nicht auf Anweisung eines gestörten Gespensterkindes in einem spukenden Hotel voller Geister. Es musste andere Optionen geben.
Als Layla an die Tür klopfte, die vermeintlich Zoe gehörte, überlief ein Kribbeln ihren Körper.
Bitte, mach auf . Ihr Herz hämmerte wie wild. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Der Reim konnte nur eine schlechte Botschaft bedeuten.
In den sich überlappenden Zeiten riss eine durchscheinende Version von Zoe die Tür auf und blickte rechts und links den Flur hinunter. Offenbar sah sie Layla nicht.
»Zoe!«, schrie Layla direkt in ihr verärgertes Gesicht.
Doch Zoe schloss fluchend die Tür.
»Eins, zwei, drei, vier, fünf!«, sang Therese.
Okay, Zoe merkte nichts, aber vielleicht reagierte ein Schattenwesen anders. Wenn Layla Talia oder Khan fand, würde sie vielleicht einer von beiden sehen und ihr hier hinaushelfen. Richtig? Gab es einen anderen Weg? Ihr Kopf surrte wie elektrisiert. Ihre Gedanken wollten sich panisch in unzusammenhängende Teilchen auflösen, doch sie schaffte es, sich zu konzentrieren. Hier durfte sie nicht bleiben. Das war nicht gut. Nein. Sie musste zurück zum Fahrstuhl und auf die Ostseite gelangen. Dorthin konnte ihr das Gespenst nicht folgen. Dann musste sie Hilfe suchen.
Therese war aufgestanden und stampfte fest mit dem Fuß auf den Boden. »Toter Mann, steh … «
Plötzlich versank der Bereich vor dem Fahrstuhl in tiefer Dunkelheit. Schatten wirbelten durch den langen Flur und streckten wie ein Oktopus ihre Tentakel aus.
Oh, Gott sei Dank. Khan.
Doch plötzlich ertönte eine durchdringende weibliche Stimme. »Lady Amunsdale!«
»Sie gehört mir«, schrie das Kind zurück.
»Sie gehört mir«, erwiderte Talia mit unmissverständlicher Autorität aus dem Nichts. Ihre furchteinflößende Stimme verhieß Macht.
Pochende Schatten glitten kalt und glatt über Layla hinweg. Schließlich erkannte sie Talia. Die wirbelnden Schattenbahnen rissen an ihren hellen Haaren, sie leuchtete seltsam von innen heraus, die Augen vollkommen schwarz.
Ein Schattenwesen, stellte Layla fest und hielt den Atem an.
Grollende Dunkelheit riss an den Wänden und schlug auf Therese ein. Obwohl sie eine gemeine kleine Göre war, empfand Layla Mitleid mit dem Kind. Therese schleuderte durch die Luft. Als sie wieder auftauchte, zeigte sie sich nicht mehr als Kind, sondern als Frau mit harten Gesichtszügen.
»Ich brauche sie!«, schrie Therese als Frau.
Ihre Arme schienen absurd lang. Mit ihren knochigen Händen griff sie Laylas Bluse. Instinktiv fuhr Layla herum, um sich von dem Gespenst loszureißen, doch obwohl es sich weiterhin an sie klammerte, griff sie ins Leere.
Layla hatte das Gefühl, als löse sich ihre Seele. Plötzlich trennte sich ihr Körper von ihrem Geist, und sie wusste, dass sie nach der falschen Person griff. Wie ein Ballon schwebte ihre Seele nach oben. Sie ließ von Therese ab und umklammerte stattdessen sich selbst. Zwei Seelen und ein Körper, dessen Herzschlag aussetzte.
»Lass sie in Ruhe, Lady Amunsdale«, befahl Talia etwas leiser. Dennoch wirbelte ihre Stimme die Dunkelheit auf. »Sofort.«
Layla schnellte zurück in ihren Körper.
»Toter Mann, toter Mann … «, sang Therese erneut, löste jedoch den festen Griff um Laylas Schulter.
Als Layla sich umdrehte, sah sie gerade noch, wie die Schatten das Gespenst auf einer Sturmwelle davontrugen. Verzweifelt streckte die Frau in einer letzten Anstrengung die Hände nach ihr aus, bis der Abgrund im hinteren Bereich des Flurs sie verschlang. Begleitet von einem Surren
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