Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
erhielt der Gang sein modernes Erscheinungsbild zurück. Währenddessen stand Layla am einen Ende des Flurs, Talia in menschlicher Gestalt und mit besorgter Miene am anderen.
Khan interessierte sie nicht. Was zum Teufel war Talia? Ihre, na ja, Tochter? Wohl eher Khans Tochter.
»Lady Amunsdale ist die Pest«, erklärte Talia atemlos. »Lass sie nicht an dich heran.«
Stammelnd suchte Layla nach Worten: »Sie hat mich in die Vergangenheit gerissen. Sie wollte mich. Warum?«
Und was zum Teufel hatte Talia da gerade veranstaltet? Das Meer aus Schatten? Diese markerschütternde Stimme? Echt hart, diese Schattenwesen.
»Ich weiß nicht. Vielleicht ist das ein Problem deiner Reinkarnation. Wir müssen Custo fragen, oder vielleicht meinen Vater. Mich interessiert mehr das W ie .« Mit dem Kopf deutete Talia auf den Fahrstuhl. »Verschwinden wir hier, essen etwas zu Mittag und finden es gemeinsam heraus.«
Der trocknende Schweißfilm auf Laylas Haut trieb ein Schaudern über ihren Rücken, doch sie trat in den Fahrstuhl. Talia musste über die Mutter-Tochter-Sache Bescheid wissen. Das Wort Reinkarnation hing in der Luft, doch Layla wusste nicht, was sie sagen sollte, also schwieg sie.
»Ich habe dich zu Tode erschreckt, stimmt’s?« Talia kaute auf ihrer Unterlippe und hielt den Blick auf die Türen gerichtet.
»Nein, nein«, log Layla. »Alles gut. Ich war etwas überrascht, aber es ist alles in Ordnung.«
»Na, komm schon. Ich erschrecke jeden zu Tode.«
»Nun, nicht jeder ist mit Khan bekannt. Der hat sich heute aus einem Gemälde heraus mit mir unterhalten.«
Talia lachte etwas gezwungen. »Ich habe ihm gesagt, dass er behutsam mit dir umgehen soll, und was tut … «
»Mach dir keine Sorgen.«
»Aber … «
»Wirklich. Ich habe mein ganzes Leben lang verrückte Dinge gesehen, und nie hat mir jemand geglaubt.«
Talias Anspannung ließ nicht nach. »Lass uns mittagessen, dann kannst du mir davon erzählen.«
»Okay.« Aller Wahrscheinlichkeit nach glaubte Talia sämtliche verrückten Sachen, die Layla gesehen hatte.
»Ach, und es ist wohl besser«, sagte Talia, »wenn du vorerst im Ostflügel bleibst.«
Layla lachte auf. »Ach was?«
Khan legte ein Friedensangebot auf Laylas Bett: Ihre Tasche von zu Hause, damit sie sich wohler fühlte, und einen großen Strauß roter Rosen. Angeblich standen sterbliche Frauen auf diese Blumen. Eigentlich hätte er sie lieber einfach erobert, doch seine Tochter hatte ihn angewiesen, ihr den Hof zu machen.
Da Talia Layla besser in ihr neues Leben einzuweisen wusste, vertraute er ihr Layla für den Augenblick an und erhob sich in die blasse Wintersonne über Segue. Als der Tod über dem Land schwebte, sank die Temperatur, das Rascheln der Blätter verstummte, und die Bewegungen verlangsamten sich. Der Sensenmann ging erneut auf die Jagd.
Der Teufel war vorsichtig geworden, langsam kannte er die Gepflogenheiten der Sterblichen Welt. Er lauerte irgendwo in den Straßen, doch es führte keine Spur gewaltsamer Tode mehr zu ihm. Drohend schwebte Khan über der Stadt Middleton. Nur wenige Seelen hielten sich in den Straßen auf. Sie zogen ihre Mäntel fester um sich und eilten ängstlich um sich blickend ins Warme. Als schritte der Tod durch die Gassen. Was er tatsächlich tat.
Er überprüfte jedes Haus und brachte dabei die Kinder zum Weinen. Hunde jaulten, Katzen machten einen Buckel. In der eisigen Dunkelheit, die er über die Stadt brachte, fielen die Blätter schneller von den winterlichen Bäumen. Er hielt erst inne, als er auf einen Engel traf, der in dem nun schwachen Licht an einem Laternenpfahl lehnte.
»Sie ist hier irgendwo«, erklärte der Engel gequält. »Heute Morgen hat sie für Ärger gesorgt und ein paar Leute fertiggemacht. Wir hätten sie fast gehabt, doch sie ist uns entwischt.«
»Es ist niemand gestorben«, stellte Khan fest. Das hätte er gespürt. Auch wenn er die Engel nicht mochte, war er froh, dass sie ebenfalls nach ihr suchten und vermutlich dafür sorgten, dass sich der Schaden, den die Frau in der ahnungslosen Bevölkerung anrichtete, in Grenzen hielt.
»Niemand?« Die Engel besaßen kein Gespür für den Tod. »Nun, das sind gute Nachrichten.«
»Sie wird sich in ein widerliches Monster verwandeln.«
»Wer im Glashaus sitzt«, erwiderte der Engel. Er schob die Hände in die Taschen, wandte dem Tod den Rücken zu und lief den Bürgersteig hinunter.
Der Teufel, eine Sie , wartete auf den richtigen Moment für einen Angriff. Nachdem sie
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