Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
ein Schattenwesen. »Womit haben June und Ward Cleaver dich so aufgebracht? Was auch immer sie dir erzählt haben muss überzeugend gewesen sein.«
Layla sah ihr in die Augen. »Dass ich mit ihnen verwandt sei. Ich muss nur wissen, ob sie etwas mit meinem Kopf anstellen. Denn, wenn sie die Wahrheit sagen … «
»Es ist wahr.«
»Aber … «
»Es stimmt.«
»Warum sollte ich dir glauben?« Laylas Zweifel wichen heftiger Angst, doch Khan griff nicht in das Gespräch ein. Wenn er Layla nicht überzeugen konnte, schaffte es vielleicht diese widersprüchliche Frau. »Eventuell steckst du ja mit denen unter einer Decke«, fuhr Layla fort.
Zoe hob die Brauen. Sie legte eine Hand an die Schlafzimmertür und stieß sie auf. »Ich helfe dir nur, weil ich versehentlich auf dich geschossen habe. Damit sind wir quitt.«
Layla blickte in das Zimmer. Die kranke Schwester lag schlapp auf dem Bett. Sie war übermäßig gealtert, besaß dünnes farbloses Haar und schlaffe, faltige Haut. Die Lippen waren aufgeplatzt, ein Schattenfilm bedeckte das Weiß ihrer Augen. Khan wusste, dass Layla mehr als nur das äußere Erscheinungsbild der Krankheit wahrnahm. Layla konnte durch den Schleier zwischen den Welten sehen. Sie betrachtete ein äußerst ungewöhnliches Orakel. Layla sah die Bäume der Zwielichtlande, die dunkel im Rücken der Frau aufragten. Sie beobachtete, wie Schatten in den Körper des Orakels eindrangen und die bedauernswerte Sterbliche mit ihrem launenhaften Tosen quälten.
»Das ist meine Schwester«, erklärte Zoe. »Im Grunde weiß sie alles über alle, deshalb ist sie so krank. Adam und Talia haben ihr den Rest gegeben. Jetzt liegt sie im Sterben.«
Layla schwieg und hielt die Luft an. Erstaunen, Erschrecken und Trauer strömten in die Schatten, und Khan wusste, dass sie endlich bereit war zu glauben.
»Es tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe«, sagte Layla zu dem Orakel und wich zurück.
Das Orakel schlug die Augen auf. »Endlich bist du da«, keuchte sie. »Ich habe dich erwartet.«
»Mich? Warum mich?«
»Du hast all das ausgelöst. Du und dein Schattenprinz.«
Khan bemerkte, wie das Orakel seine wässrigen Augen zur Decke richtete, von wo aus er zusah.
»Sie meinen Khan?«
Das Orakel grinste. »Khan.«
»Was ist mit Talia?«, fragte Layla. »Sind wir … ? Ist sie … ?«
Ja . Khan wollte unbedingt, dass das Orakel diese Frage beantwortete. Das erklärte alles.
Das Lächeln des Orakels verblasste. Ein Beben erfasste ihren Körper, doch sie stieß keuchend hervor: »Warum fragst du mich das? Du weißt doch schon, dass es wahr ist.«
Die Schatten stürmten durch das Zimmer, und die Augen des Orakels verdunkelten sich, die Lider weiteten sich ob einer eindrucksvollen Vision. »Rose kommt«, stieß sie hervor. »Pass auf dich auf.«
Verwirrt blickte Layla zu Zoe. »Ich kenne keine Rose.«
Schulterzuckend murmelte Zoe: »Manchmal überlappen sich die Visionen und ergeben keinen Sinn. Hast du, was du wolltest?«
Der Schattenmann hätte diese Rose, die sie so ängstigte, gern selbst in den Schatten des Orakels identifiziert. War sie der Teufel? Doch Layla erwiderte: »Ja. Ich glaube schon«, und zog sich aus dem Zimmer zurück.
Zoe schloss die Tür. »Wenn Abigail sagt, dass du mit diesen Mistkerlen verwandt bist, dann stimmt es. Schön für dich.«
»Wie lange hat sie noch?«
Zoe musterte den Fußboden. »Ich weiß es nicht. Sie ist mein ein und alles. Wahrscheinlich so lange ich sie noch halten kann.«
In Layla reifte eine ähnliche Überzeugung. Sie war schmerzhaft, verhieß jedoch auch süße Hoffnung. Sie blickte zur Tür, als sehnte sie sich nach ihrer Tochter Talia. »Ja, das glaube ich auch.«
Und Khan wusste, dass für den Augenblick alles gut war. Und heute Nacht noch viel besser sein würde, wenn er ihr in ihren Träumen begegnen konnte. In der Zwischenzeit hatte er zu tun.
Es roch himmlisch nach Speck, Kaffee und frischem Brot. Vor lauter Glück hätte Rose am liebsten geweint. Nach zwölf Jahren voll Hunger und Entbehrung, in denen man sie grundlos gequält hatte, schien ein selbstgemachtes Frühstück genau das Richtige, um den Tag und ein neues Leben zu beginnen.
Sie musste sich nur noch um Ms. Layla Mathews kümmern. Das erledigte sie gleich nach dem Essen.
Die kleine Pension hatte ihr der Himmel gesandt. Ein hübsches viktorianisches Gebäude mitten in Middleton. Innen glänzten aufwendige Holzarbeiten. Die handgenähten Quilts an den Wänden erinnerten Rose an ihre
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