Zwielichtlande: Schattenmann (German Edition)
durch die Schlafzimmertür, um den Hörer abzunehmen.
Eine Computerstimme ertönte: »Geister versuchen, auf das Gelände von Segue vorzudringen. Bitte verlassen Sie nicht Ihr Zimmer, bis … « Der Adrenalinausstoß sorgte augenblicklich für einen klaren Kopf. Geister? »… Sie weitere Anweisungen erhalten. Das Gebäude ist aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres abgeriegelt.«
Dann war die Leitung tot. Layla fuhr sich durch die Haare und versuchte, sich zu beruhigen. Erinnerungsfetzen an die letzte Nacht waberten durch ihren Kopf.
Dann fiel ihr alles wieder ein.
Was hatte sie getan?
Oder eher: Was hatte sie mit sich machen lassen? Allein der Gedanke trieb ein brennendes Schamgefühl durch ihren Körper. Sie schlang die Arme um sich und versuchte, das demütigende Gefühl zu vertreiben. Khan verheimlichte ihr etwas. Mistkerl. Er musste es ihr sagen.
»Khan?«
Keine Antwort.
Sie griff ihre Trainingshose, eine Leihgabe aus Segue, und schlüpfte in ihre Schuhe. Dann spähte sie aus dem Fenster. Es war noch dunkel. Abgesehen von ihrem Herzschlag herrschte Stille auf ihrer Seite des Gebäudes.
»Khan?« Sie redete wie eine Irre mit sich selbst.
In weiter Ferne vernahm sie Schüsse. Ihr Adrenalinspiegel stieg. Was würde sie darum geben, Segue im Einsatz zu sehen.
Sie versuchte, die Wohnungstür zu öffnen. Verschlossen. Sie drehte den Riegel. Immer noch verschlossen.
Das war dumm. Die Tür konnte die Geister kaum aufhalten. Außerdem befanden sich die Geister nicht in der Nähe des Gebäudes, und in Anbetracht von Segues Waffenarsenal würden sie auch nicht dorthin gelangen. Es gab keinen Grund, sie hier einzuschließen. Das war ihre Story, der Grund, weshalb sie noch nicht den Verstand verloren hatte. Vor allem nach …
Layla sank auf das Sofa und stützte den Kopf in die Hände. Das ging so nicht. Morgen musste sie mit Adam eine Vereinbarung treffen. »Ich hasse Männer, die mich überwachen.«
In die Stille hinein klackte das Schloss der Wohnungstür.
Khan. Er war also noch da.
Layla stand auf und versuchte erneut, die Tür zu öffnen. Jetzt gab sie nach.
Wie praktisch. »Okay«, sagte sie in die Leere, »aber wir sprechen uns noch.«
Layla riss die Tür auf und lief zum Aufzug. Verdammt, sie wollte ihre Kamera, die man ihr zusammen mit dem Wagen gestohlen hatte, und ihre Waffe, die Zoe sich unter den Nagel gerissen hatte. Sie hatte das Gefühl, verfolgt zu werden, und warf einen Blick über ihre Schulter zurück. Khan passte auf sie auf. Sie brauchte keine Waffe. Als sie die sinnliche Berührung dunkler Schatten auf ihrer Haut spürte, zog sich ihr Unterleib zusammen. Ja, er war da. Verflucht.
Sie öffnete die Tür zum Treppenhaus und löste damit offenbar einen Sicherheitsmechanismus aus, denn zwei Schritte von ihr entfernt schnellte ein Metallgitter nach unten und schnitt ihr den Weg zur Treppe ab. Als sie sich umdrehte, fiel ein zweites Gitter herunter und hielt sie wie in einem Käfig gefangen. Es musste eine Vorrichtung gegen Geister sein, die man bei der Renovierung von Segue eingebaut hatte. Es schien ihr durchaus sinnvoll, Eingänge und Flure im Fall eines Geisterangriffs zu blockieren, doch für sie erwies sich diese Maßnahme momentan als äußerst unpraktisch.
Oder vielleicht auch nicht. Wie nannte Khan noch diese interessante Transfermethode? Sie rang den Bruchteil einer Sekunde mit sich, dann hatte sie sich entschieden. »Würdest du mich vielleicht dorthin bringen? So nah, dass ich etwas sehen kann, aber nicht so nah, dass mir der Kopf abgebissen wird?«
Das Treppenhaus verfinsterte sich. Layla klammerte sich an das Geländer. Ein Luftzug umfing ihren Körper. Eine Welle Schatten, eine Umarmung bebender Magie, und schon befand sie sich auf unebenem Gelände.
Nach der hellen Beleuchtung in Segue blinzelte Layla heftig, um in der Morgendämmerung etwas zu erkennen. Am Horizont wurde es erst langsam hell. Die scharfe Winterluft brannte in ihren Lungen, doch ihr war nicht kalt.
Als neben ihr eine Maschinengewehrsalve losging, setzte beinahe ihr Herz aus. Sie erkannte menschliche Gestalten, wusste jedoch nicht zu sagen, ob es sich dabei um Menschen oder Geister handelte. Blinzelnd ging sie voran. Links von ihr bewegte sich etwas. Sie vernahm leise Stimmen. Eine Gruppe Männer.
Es musste sich um Soldaten aus Segue handeln. Einer drehte sich um, als spürte er ihre Gegenwart.
»Ms. Mathews?«
Adam.
»Verdammt, Sie sollten drin sein.«
»Ich gehöre nicht zu den Mädchen, die brav
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