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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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nur!«
    Langsam hob Custo den Blick, blieb jedoch auf dem ersten zusammengebrochenen Geist liegen. Der Hals des Geistes, dem Custo das Genick gebrochen hatte, war verdreht, der Rest des Wesens verwandelte sich in graue fleischartige Asche. Seine Knochen schienen unter der ledernen Haut zusammenzubrechen. Bei dem Geruch, der von dem Wesen ausging, musste Custo würgen.
    Der Geist war tot und würde sich nicht mehr erholen.
    »Wie hast du das gemacht?«, schrie Adam.
    Custo atmete ein, der Schmerz verwandelte sich in ein allgemeines Ziehen, mit dem sich seine Rippen wieder zusammensetzten.
    Er hatte keine Ahnung, wie er das gemacht hatte. Wahrscheinlich irgendeine Engelsgeschichte, aber er konnte nicht bleiben, um es herauszufinden.
    Wankend stand er auf und wischte sich mit dem Arm zitternd das Blut von Mund und Schläfe. Die paar noch übrig gebliebenen Geister glotzten ihn erstarrt aus riesigen Augen an und musterten verblüfft die Leiche ihres … Freundes.
    »Ich muss zu Annabella«, sagte Custo.
    Ein Schuss ertönte. Etwas biss ihn in die Seite. Er blickte hinunter, als eine weitere glühende Kugel ihn am Arm erwischte und ihn zurück auf den Boden beförderte.
    Sein Blick verschwamm, vor seinen Augen tanzten weiße Punkte. Warme Flüssigkeit breitete sich auf seiner Haut aus und klebte sein Hemd an seiner Seite fest, während eisige Kälte in seine Knochen kroch. Weitere Schüsse hallten durch die Luft, aber er war weder in der Lage ihre Quelle noch ihr Ziel zu orten. Er konzentrierte sich ganz auf das Brennen, das Heilung verhieß.
    Aber es blieb aus.
    Plötzlich wurde Custo am Arm nach oben gerissen. Seine Beine gaben nach, so dass er auf den Knien landete. Um ihn tobte ein Kampf, ein Schuss ertönte, Schreie. Er hörte, wie Adam rief: »Hier!« Aber Custo hatte keine Ahnung, mit wem er sprach.
    Custo spähte in den trüben Himmel und blinzelte, um scharf zu sehen.
    Luca blickte auf ihn herab. »Ich dachte schon, wir hätten dich verloren. Na gut, reiß dich zusammen, und setze deinen faulen Hintern in Bewegung.«
    Luca ließ ihn los und tauchte in der Schlägerei ab. Schwach und hilflos beobachtete Custo den Straßenkampf, der um ihn herum tobte. In seinen Augen wirkte jede Bewegung wie ein eigenartiger bunter Regenbogen. Alles schien verformt. Er entdeckte Adam, dessen Miene zugleich angespannt und erfreut wirkte. Auch das schien ihm nicht richtig; Adam war immer besorgt, er konnte nicht glücklich aussehen. War der Schattenmann zurückgekehrt? Tote Geister füllten die Gasse mit ihrem Gestank. Der widerliche Geruch brannte Custo in der Nase.
    Nein, nicht der Tod. Andere hatten sich dem Kampf gegen die Geister angeschlossen. Er kannte ihre Gesichter nicht, aber sie waren wunderschön, ihre Haut vollkommen, ihre Augen zu wachsam, um menschlich zu sein. Dann erkannte Custo sie: Engel. Einer hielt eine gefährlich aussehende kurze Klinge in der Hand, der Schaft am Griff wie ein Dreizack geformt. Custo konnte beinahe hören, wie sie singend durch die Luft flog. Eine tödliche Waffe gegen Geister.
    Langsam nahm die Welt Gestalt an. Die verschwommenen Farben sammelten sich an den richtigen Stellen. Die Formen der Gebäude und Körper erhielten ihre Konturen zurück. Und ein heftiges Brennen tobte in seinem Magen. Endlich hatte der Heilungsprozess eingesetzt.
    Annabella.
    Custo öffnete seinen Geist, um sie zu suchen. Er fegte durch Tausende von Zuschauern, die Kreise der Scheinwerfer sammelten sich auf der Bühne, die Leute warteten in den Flügeln.
    Custo suchte nach dem strahlenden Geist, der ihn zurück ins Leben geholt hatte, und fand gerade noch ein schwaches Flackern von ihm.

10
    Eine Glocke verkündete den hereinbrechenden Morgen. Als die Musik leiser wurde, beugten sich die Wilis nach vorn, neigten die Köpfe zur Seite und lauschten aufmerksam. Das Licht auf der Bühne nahm eine gelbliche Färbung an, denn die Sonne fiel durch die Schatten der Bäume. Giselle hatte den mit einem Fluch belegten Albrecht durch die dunkle Nacht geleitet. Sie umarmte ihn ein letztes Mal, bevor sie in ihr Grab zurückkehrte.
    Komm. Jetzt. Wolf zog sie zu einer Lücke in den Bäumen; das war in der Choreografie nicht vorgesehen.
    Ja , erwiderte Annabella. All ihre Träume konnten und würden wahr werden, und sie musste sich noch nicht einmal anstrengen. Wenn sie das Schattenreich zurückwies und die Magie nicht mit jeder Faser ihres Seins willkommen hieß, würde sie den Rest ihres Lebens unglücklich sein.
    Komm , sagte Wolf

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