Zwienacht (German Edition)
und die Schwerkraft wurde zu meinem Verbündeten, als nun das ganze Gewicht des Körpers an dem Draht zerrte. Das Lämmchen zappelte und röchelte, Hände tasteten nach der Kehle, doch die notwendige Impfung wurde unerbittlich vollzogen.
Ich hielt die dornige Schlinge jetzt nur mit einer Hand, als wollte ich einen ungehorsamen Hund mit einem Knebelhalsband zur Räson bringen.
„Chrrr...Chrrr“, gurgelte das Bürschchen und ich musste lachen.
Ich zog den Hammer aus dem Gürtel und schlug auf den Schädel des Kerls ein. Doch der wagte es, weiterhin Widerstand zu leisten. Die meisten Schläge gingen daher daneben oder trafen falsche Stellen wie den Wangenknochen, der mit einem deutlichen Splittergeräusch zerbarst.
Die blutige Kappe fiel zu Boden und ich zerrte ihn ungeduldig in die Büsche.
„Geh tot!“
Der Mann mit dem Schwert
Die Szene auf der Straße kam Richard völlig surreal vor.
Vor dem Eingang zum gegenüberliegenden Haus standen sich zwei Männer gegenüber. Einen knappen Meter voneinander entfernt. Jener, der Richard den Rücken zuwandte, wirkte unförmig, geradezu gigantisch und dieser Eindruck wurde durch einen breitkrempigen Hut und den bodenlangen, schwarzen Wintermantel, der sich jetzt in einer Windböe aufblähte, noch verstärkt. Seine Arme wirbelten vor dem erschrockenen Gesicht seines Gegenübers durch die Luft.
Erst jetzt erkannte Richard, dass es sich bei dem offensichtlich Bedrohten um den Rentner handelte, der des Nachts gern mit einem Krummsäbel in seiner Wohnung hantierte.
Der andere Kerl stieß ihn jetzt gegen die Brust, so dass er taumelte und nur durch die Hauswand in seinem Rücken vor einem Sturz bewahrt wurde.
Der Angreifer brüllte wieder etwas, das Richard nicht verstehen konnte, drohte mit erhobener Faust, wagte es aber letztlich nicht zuzuschlagen. So, als sei er es nicht gewohnt, die körperliche Auseinandersetzung zu suchen. Dennoch hatte ihn etwas in Rage versetzt.
Eine erneute, stärkere Windböe riss ihm plötzlich den Hut vom Kopf und als er sich mit ausgestreckten Armen umwandte, um nach der schwarzen Kopfbedeckung zu greifen, sah Richard, dass es sein beleibter Flurnachbar war, der sich dort unten in einen Wüterich verwandelt hatte.
Während sich Richard fragte, was der Grund für die Auseinandersetzung war, zückte der Rentner ein Schwert mit kurzer Klinge. Er musste es die ganze Zeit hinter seinem Rücken verborgen gehalten haben. Es erinnerte Richard an die Waffe eines Legionärs aus den Asterix-Comics, die er in seiner Jugend gelesen hatte.
Der Dicke hatte in der Zwischenzeit seinen Hut eingefangen und wandte sich mit hochrotem Kopf wieder dem Rentner zu, der ihn jetzt mit halb erhobener Klinge erwartete.
Richard öffnete das Fenster. „He! Was soll das?“, rief er, aber der Wind – mittlerweile eiskalt und regenschwanger – riss die Worte mit sich.
Die Straße war menschenleer. Nur die beiden Kampfhähne standen sich weiterhin gegenüber. Der Rentner machte mit dem Kurzschwert in der Hand einen Schritt nach vorn, bewegte die Lippen und war auf einmal gar nicht mehr ängstlich.
Richard rannte in den Hausflur, stürmte die Treppen hinunter, zwang sich schneller zu laufen, ohne auf das Pochen in seinem Schädel und den rasselnden Atem zu achten.
Er blieb mitten auf der Straße stehen, hielt so einen Sicherheitsabstand zu den Männern und fragte sich verzweifelt, warum er nicht erst die Polizei gerufen hatte, ehe er sich hier zum Helden aufspielte. Aber jetzt war es dafür zu spät. Er hob begütigend die Arme, rang nach Luft und ächzte: „Bitte, meine Herren! Beruhigen Sie sich.“
Er sah, dass der Rentner ihn erkannte. Ohne den Blick von dem Beleibten im Wintermantel zu nehmen, sagte der alte Mann mit leicht zitternder Stimme: „Der Verrückte hat mich angegriffen. Einfach so.“
„Der Mistkerl hat Pauli umgebracht!“, stieß der Dicke hervor. Sein teigiges Gesicht war jetzt totenbleich, bis auf die leuchtend violetten Flecken auf den Wangen.
Das ist ein Kandidat für einen Herzinfarkt, dachte Richard.
„Legen Sie erst einmal das Schwert weg.“ Er hörte, wie seine Stimme flatterte.
Der Alte schüttelte energisch den Kopf. „Damit mich der Fettsack zusammenschlägt? Nichts da!“ Er hielt das Schwert jetzt mit beiden Händen. Für Richard sah das gefährlich professionell aus.
Sein korpulenter Nachbar hatte sich den Hut wieder auf den Kopf gesetzt und marschierte schnaubend und mit gefletschten Zähnen auf den Rentner los, so, als
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