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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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zwanzig nach elf. Hatte er fast zwei Stunden die Tasse angeglotzt? War er in einen Trancezustand gefallen oder sollte er tatsächlich geschlafen haben? Letzteres schied aus, denn er fühlte sich noch müder als zuvor.
    Wenn sich der Schlaf endgültig verabschieden sollte, und damit meinte er die paar Stunden des Dahindämmerns, würde das Leben zur Hölle werden. Zurzeit befand er sich noch im Fegefeuer.
    Es schellte und im ersten Augenblick freute er sich darüber, dass Maria noch mal bei ihm vorbeischaute, aber dann fiel ihm ein, dass sie sich seit über einer Stunde bei einem anderen Pflegebedürftigen aufhielt.
    Die Gedanken wirbelten wie Seifenblasen in seinem Kopf umher. Manche zerplatzten, ehe er sie überhaupt formuliert hatte.
    Er öffnete die Tür und als er seinen Nachbarn Münzberg auf der Fußmatte stehen sah, stellte er fest, dass eine Sicherheitskette nichts nutzt, wenn man sie ebenso gedankenverloren öffnet, wie man sie schließt.
    Münzberg hielt ihm eine flache Schachtel hin. Auf dem Deckel war eine Flasche Weinbrand und eine Schale mit Weinbrandbohnen abgebildet.
    „Weinbrandbohnen“, erläuterte sein Nachbar unnötigerweise. „Ich wollte mich bei Ihnen bedanken.“
    Jan Münzberg machte einen klaren Eindruck. Er schwitzte nur ein wenig, wie er es wohl immer tat, und sein Gesicht wies nicht mehr die totenhafte Blässe von vorhin auf. Nur die Augen waren noch immer verweint.
    Richard zögerte und Münzberg machte Anstalten, sich wieder zu verabschieden.
    „Wollen wir reden?“, hörte Richard sich sagen.
    Der Mann auf der Fußmatte lächelte nicht, aber Richard spürte, dass er über die Einladung erfreut war. Er führte Münzberg in die Küche. Eine Küche war für Richard schon immer der Ort für Kommunikation gewesen. Nur gab es in seiner jetzigen Lebensphase kaum jemanden, mit dem er kommunizieren konnte.
    Die Sitzfläche des Stuhls war zu klein für Jan Münzbergs Gesäß, aber er schien das gewohnt zu sein.
    „Kaffee?“, fragte Richard.
    „Nein danke. Ich habe Bluthochdruck.“
    „Und Sie sind Diabetiker?“ Richard tippte mit der Fingerspitze auf die Schachtel mit den Weinbrandbohnen. „Dann sollten wir die lieber auch nicht öffnen, oder?“
    Münzberg hob die Mundwinkel ein wenig, so dass es beinahe so aussah, als würde er lächeln. Zumindest im Ansatz. „Eine oder zwei gehen eigentlich immer.“
    Richard nahm den Deckel ab und bemerkte, dass bereits ein paar Bohnen fehlten.
    „Tut mir leid. Ich war da schon mal dran“, gestand Münzberg und fingerte eine weitere Bohne aus der Verpackung. Er schien die Praline überhaupt nicht zu kauen. „Ich wollte den alten Knacker erst nur zur Rede stellen, aber dann sind mir die Sicherungen durchgebrannt. Meine Zuckerwerte ... die machen einen dann völlig konfus.“
    Richard steckte sich auch eine Bohne in den Mund, biss sie in zwei Hälften und ließ die aromatische Füllung die Kehle hinunterrinnen. „Sind Sie denn sicher, dass er es war, der Ihrem Kater das angetan hat?“
    Münzberg schnaufte, als würde ein Teil der Wut, die ihn auf der Straße erfasst hatte, zurückkehren. „Der Alte hantiert in seiner Wohnung mit diesen albernen Waffen herum. Ich habe ihn dabei schon zigmal beobachtet. Glaubt wohl ein Samurai oder so was zu sein.“
    „Ich weiß“, warf Richard ein und versteifte sich sofort, als er spürte, wie sich der Mann wieder aufregte.
    „Ich fragte ihn, ob er wüsste, was mit Pauli geschehen ist.“ Münzberg ballte seine Hände zu Fäusten. Über den Fingerknöcheln war die Haut ganz weiß. „Er fragte, wer Pauli sei. Und ich antwortete: mein Kater.“
    „Und weiter?“
    „Dann sagte er: Ach, so ein Scheiß-Katzenvieh. Dabei hat er gegrinst. Da bin ich geplatzt. In seinen Augen konnte ich lesen, dass er Paulis Mörder ist. Er hat ihm den Kopf abgeschlagen.“
    „Das allein ist aber noch kein Beweis“, warf Richard vorsichtig ein.
    „Ich bitte Sie!“ Jan Münzberg schnaufte jetzt wie ein Dampfkessel. „Der Mann läuft mit einem Schwert durch Döbeln!“
    „Dafür hatte er eine Erklärung.“ Richard schob die Schachtel mit den Weinbrandbohnen näher zu seinem Nachbarn, in der Hoffnung, dass ihn die Nascherei ein wenig ablenkte. Münzberg bediente sich eifrig, ohne dadurch im Reden behindert zu sein.
    „Der Kerl hasst doch alle. Kaum sind ein paar Kinder mal etwas lauter vor seinem Haus, brüllt er gleich los. Und ich habe auch gesehen, wie er etwas nach einer Katze geworfen hat. Zum Glück war es nicht mein

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