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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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Finger von der Klingel, ging zurück in seine Wohnung und schloss leise die Tür hinter sich.
    Er würde zu Dr. Busch gehen. Nur der Psychiater konnte ihm jetzt helfen. Richard verharrte eine Weile im Flur, zählte langsam bis zwanzig und fühlte sich danach einigermaßen in der Lage, den Fußmarsch zu Buschs Praxis anzutreten.
    Er überlegte, ob er der den Kadaver einfach auf dem Tisch liegen lassen sollte. Unter der Spüle befanden sich noch ein paar Gummihandschuhe, die er sich zugelegt hatte, als er einmal den verstopften Abfluss säubern musste.
    Der kopflose Körper des Katers war verschwunden.
    Richard steckte sich eine Faust in den Mund und biss fest zu. Der Schmerz war real und verdrängte sogar das Pochen hinter seiner Stirn.
    „Ich bilde mir das alles nur ein!“, sagte er energisch und übertönte das Summen der Fliege, die sich einen Meter neben ihm an der Wand niederließ.
    Er brauchte länger als sonst, um zu der Praxis am Ufer der Mulde zu gelangen. Er war kurzatmig und schwitzte trotz des kühlen Wetters.
    Vor den Fenstern waren die Rollläden heruntergelassen. Niemand öffnete, als Richard immer und immer wieder auf die Schelle gedrückt hatte. Er suchte nach einer Nachricht. Vielleicht war Dr. Busch erkrankt oder hatte einen wichtigen Auswärtstermin, aber es gab keinen Hinweis, warum die Praxis ausgerechnet heute während der normalen Öffnungszeiten geschlossen war.
    Richard spürte, wie er die Kontrolle verlor. Der Psychiater war sein Rettungsanker gewesen. Er wäre seine Aufgabe gewesen, Richard davor zu bewahren, den Verstand zu verlieren. Richard war sich sicher, niemals zuvor dringender die Hilfe eines Menschen gebraucht zu haben. Und dieser Mensch war Busch.
    Richard war noch nicht bereit, aufzugeben. Er fingerte nach dem Autoschlüssel in seiner Jackentasche und stellte fest, dass der Tag jetzt grau statt blau vor ihm lag. Zumindest die Sehstörung war vorbei. Er wollte es riskieren, seinen Wagen zu holen. Auf dem Weg dorthin, würde er bei der Post hereinschauen.

    In der Post versuchte Richard zunächst in Dr. Buschs Praxis anzurufen. Wie befürchtet, meldete sich nur der Anrufbeantworter mit der Stimme der Sprechstundenhilfe. Er schaute im Telefonbuch nach und war erstaunt, dass der Privatanschluss inklusive Adresse tatsächlich eingetragen war. Unter derselben Adresse existierte noch der Anschluss einer Charlotte Busch.
    Richard war davon ausgegangen, dass ein Psychiater nicht gern privat für seine Patienten erreichbar sein wollte. Er dachte kurz darüber nach, ob es ratsam wäre, sich bei Busch anzumelden, entschied sich aber dagegen. Er war ein Notfall und hatte nicht die geringste Lust, sich telefonisch abwimmeln zu lassen. Er brauchte jetzt den Rat des Psychiaters. Und Richard konnte sich genau daran erinnern, dass Busch ihm gesagt hatte, er sei jederzeit für ihn ansprechbar. Trotzdem kritzelte er beide Nummern auf das einzig verfügbare Stück Papier, dass er außer einem Kassenbon dabei hatte: einen 20-Euroschein.
    Richard beeilte sich zu seinem Auto zu kommen. Er stellte fest, dass er den VW Golf überhaupt nicht abgeschlossen hatte. Er liebte es, sich an Orten aufzuhalten, an denen man nicht ständig Gefahr lief, beklaut zu werden.
    Nur leider werde ich verrückt, sagte er sich. Und da kann es mir scheißegal sein, wo ich mich aufhalte.
    Er holte den Stadtplan aus dem Handschuhfach und suchte nach der Straße, in der Busch wohnte. Weite Teile der Stadt und der Umgebung hatte er bei seinem Stubenhockerdasein noch gar nicht kennen gelernt.
    Der Psychiater wohnte im Stadtteil Sörmitz.
    Als Richard am Straßenrand parkte und das Haus betrachtete, fand er, dass es überhaupt nicht zu Busch passte. Er hatte eine moderne Villa mit viel Glas erwartet, nicht ein großes, düster wirkendes Gebäude, dessen Efeu überwucherte Fassade mindestens hundert Jahre alt sein musste.
    Richard stieg aus und betrat durch ein schmiedeeisernes Tor den Vorgarten. Ein Weg mit grauen Steinplatten führte zur Haustür. Es gab zwei Schellen mit Namensschildchen. Neben der unteren stand Charlotte Busch .
    Richard drückte auf den oberen mit der schlichten Beschriftung J. Busch . Er wartete eine Weile und als sich nichts tat, klingelte er bei Charlotte Busch. Nach einer halben Minute näherte sich von innen ein leises Summen. Die Tür wurde geöffnet und Richard blickte auf eine alte Frau in einem elektrischen Rollstuhl. Sie trug ein schwarzes Kostüm, das einmal sehr kostbar gewesen sein musste, jetzt

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