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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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Gesicht der alten Frau Ahrens und glaubte sogar ihre Stimme zu hören.
    „Hier war jemand. Ich konnte ihn nur riechen. Er raucht starken, dunklen Tabak. Vielleicht brasilianischen oder kubanischen.“
    Die alte Frau hatte es sich nicht eingebildet. Jemand war in ihrer Wohnung gewesen. Jemand, der den alten Fluchtweg ihres Vaters benutzt hatte.
    Wer kommt in Frage?
    Richard dachte an Sandow.
    Vielleicht ist sein Zugang gar nicht verschlossen. Vielleicht aber auch Münzberg. Schließlich ist der von allen Bewohnern des Hauses am merkwürdigsten. Aber er hat keinen direkten Zugang zu dem Gängesystem. Seine Wohnung liegt auf der anderen Seite des Hauses. Und wäre der so verrückt, seinen geliebten Pauli auf meinem Küchentisch zu platzieren?
    Unsinn!
    Beinahe hätte Richard laut aufgelacht, als ihm bewusst wurde, dass Münzberg unmöglich durch die schmalen Hohlräume passte.
    Richard dachte an die anderen Nachbarn und erkannte, dass er fast nichts über sie wusste. Jeder kam in Frage. Sogar Krüger, der Waffennarr. Der war alt genug, um von dem Fluchtweg Wind bekommen zu haben. Vorausgesetzt, dass er Zigarillos rauchte.
    Eine weitere Frage drängte sich Richard auf: Konnte der Eindringling etwas mit dem Tod von Frau Ahrens zu tun haben?
    Richard verspürte eine eigenartige Mischung von Gefühlen, wie er sie nie zuvor erfahren hatte. Da war Furcht, Neugierde, aber auch eine Erregung darüber, dass er vielleicht gerade etwas erlebte, was er bei seiner Arbeit als Krimiautor immer nur in der Fantasie ersonnen hatte.
    Er befestigte die Halteschlaufe der Taschenlampe an seinem Gürtel und begann, die Sprossen hinabzuklettern. Bei jedem neuen, tastenden Schritt befürchtete er, das Metall würde unter seinem Gewicht aus dem Mauerwerk brechen, aber die Erbauer hatten solide gearbeitet. Die Sprossen waren zwar von Rost überzogen, hielten aber stand.
    Er erreichte das Erdgeschoss. In der zweiten Mauer gab es eine Stelle, an der man deutlich erkennen konnte, dass dort vor geraumer Zeit neue Ziegelsteine eingesetzt worden waren. Sie bildeten ein Rechteck, das genau dem ehemaligen Fluchtweg aus der Wohnung im Parterre entsprach.
    Sandow verfügte über keinen direkten Zugang mehr.
    Richard kletterte weiter in die Tiefe. Die Luft wurde kühler und feuchter. Mit Besorgnis stellte er fest, dass der Schein der Taschenlampe zu einem gelblich schwachen Glühen wurde.
    Schwer atmend erreichte den Keller.
    Die Wände schienen ihn mehr denn je zu erdrücken. Er rang nach Luft. Musste Richard sich während des Abstiegs auf jeden Schritt und jeden Handgriff konzentrieren, wurde er sich jetzt wieder der erdrückenden Enge bewusst.
    Das Licht schmolz zu einem düsteren Glühen. Er schaltete die Lampe aus. Die Schwärze sprang ihn an wie ein wildes Tier. Er drückte sich fest gegen die Rückwand und es war, als würde ihm ein feuchter Sack über den Kopf gestülpt, der ihn kaum noch Atmen ließ.
    Hastig schaltete er die Lampe wieder ein. Für ein paar Herzschläge leuchtete sie ein wenig heller als zuvor, wurde aber dann wieder schwächer.
    Richard nutzte die letzten Reserven der Batterien, um sich zu orientieren.
    Verzweifelt wischte seine Hand über die Wand, bis ihm einfiel, dass sich der Ausgang auf der eigentlichen Außenmauer des Hauses befand und in den Keller des Nachbargebäudes führte. Er musste sich einfach nur umdrehen.
    Er stemmte sich gegen die Holzplatte. Er hatte keinen Platz, um genügend Anlauf zu nehmen und hoffte, dass die Konstrukteure das berücksichtigt hatten.
    Zu seinem Erstaunen schwang die schwere Holzplatte schon unter leichtem Druck nach außen. Sie war an zwei Scharnieren befestigt.
    Er stieg in den Keller der unbewohnten Ruine und bewegte sich ganz leise.
    Der Raum war winzig, kaum zehn Quadratmeter groß. Kohle, die meiste mittlerweile ein schwarzer, zäher Matsch, bedeckte den Boden. Und Müll. Aufgeweichte Tüten, aus denen undefinierbare Wäschestücke quollen, ein verbogener Fahrradrahmen und Gegenstände, deren Nutzen er nicht einmal erahnen konnte.
    Einst musste ein Regal vor dem Ausstieg aus dem Gang gestanden haben. Jetzt war es um gestürzt und der Inhalt, Obst in Einkochgläsern hatte, sich in einem Gemenge aus Glassplittern und längst verfaulten Birnen und Stachelbeeren über dem Boden ergossen.
    Auf dieser Seite hatte die Holzplatte ein winziges Schlüsselloch. In die Holzplatte war ein massives Schloss eingesetzt worden. Aber es war nicht abgeschlossen gewesen.
    Die Taschenlampe erlosch. Richard

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