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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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bestand aus vier Kopien, die er zunächst in der richtigen Reihenfolge aneinander legen musste, dann erkannte er den Grundriss seiner Wohnung.
    Ohne Erläuterung hätte er den Fluchtweg gar nicht identifizieren können. Der Hohlraum zwischen der äußeren und der später eingezogenen Mauer war lediglich schraffiert und wäre dem unkundigen Betrachter sicher nicht weiter aufgefallen.
    Richard tippte mit der Fingerspitze auf den Buchstaben L .
    Der befand sich in der äußersten rechten Ecke der Küche. Richard wusste sofort, was sich dort befand.
    Er wandte den Kopf und sah zu der Stelle, die nur wenige Meter von ihm entfernt war.
    Sein Nachbar Münzberg hatte ihm die längst vergessene Abstellkammer neben dem Kühlschrank bei der Suche nach der Ratte in Erinnerung gebracht. Ein muffiger Hohlraum hinter einer Holztür, die nahezu perfekt in die Wand integriert war.
    Richard öffnete die schmale Tür in der Wand. Sofort schlug ihm der faulige Geruch entgegen. Mit spitzen Fingern griff er nach der Plastikflasche und stellte sie hinter sich auf den Küchenboden. Ein paar Brocken der grünlichen Kruste, die einen Kranz um den Deckel der Flasche gebildet hatten, waren an seiner Hand kleben geblieben. Angewidert wischte er sie an der Hose ab.
    Die Kammer war gut fünfzig Zentimeter tief, was dem Hohlraum zwischen den Mauern entsprach, ungefähr einen Meter hoch und zur Tarnung mit Holz verkleidet. Da sie sich in der rechten Zimmerecke befand, bildeten die tatsächlichen Außenwände des Hauses Rückseite und rechte Seite der Kammer. Richard klopfte gegen die linke Seitenwand. Sie klang massiv. Es gab keinen Riegel, kein Schloss, dass es mit einem Schlüssel zu öffnen galt.
    Richard überlegte, dass es sich um eine ganz simple Konstruktion handeln musste. Bei einer Hausdurchsuchung hätte die Gestapo mit Sicherheit auch in dieser Kammer nachgesehen. Schließlich war sie groß genug, dass sich jemand darin hätte verstecken können. Ein Riegel oder ein ähnliche Vorrichtung in einer Vorratskammer wäre ungewöhnlich und somit verdächtig gewesen.
    Andererseits, fiel Richard ein, hätte ein sehr penibler Gestapo-Mann darüber stolpern müssen, dass sich überhaupt jemand die Mühe macht, eine solche Kammer so tief in die Wand einzulassen. Aber falls er wirklich so schlau gewesen wäre, hätten sich die Gesuchten schon längst aus dem Staub machen können.
    Er drückte fest gegen die linke Holzwand. Sie gab nicht nach. Er probierte es erneut. Ohne Erfolg.
    In dem Schränkchen unter der Spüle lag der Hammer, den er Maria geliehen hatte. Er holte ihn, kroch auf den Knien in die Kammer zurück und schlug zu. Beim ersten Schlag sprang die Holzplatte ein winziges Stück nach hinten, beim zweiten fiel sie aus der quadratischen Öffnung. Die Holzplatte war mindestens fünf Zentimeter dick, deshalb hatte es auch überhaupt nicht hohl geklungen, als Richard dagegen geklopft hatte.
    Die Ratten!
    Sein erster Reflex war es, sich sofort aus der Kammer zurückzuziehen. Aber dann überwog die Neugierde und er hoffte darauf, dass der Lärm die Biester vertrieben hatte.
    Er spähte vorsichtig in die Öffnung; die Hand schützend vor dem Gesicht, falls sich eine Ratte doch noch zum Angriff entscheiden sollte, und konnte nichts erkennen. Es war stockdunkel. Aufgewirbelter Staub ließ ihn husten. Er erinnerte sich daran, dass er irgendwo im Wohnzimmer eine Taschenlampe haben musste.
    Nach minutenlanger Suche entdeckte er sie in einem Schuhkarton, der fälschlicherweise mit einem Edding als Behältnis für Manuskripte beschriftet worden war. Beim Einschalten stellte er fest, dass die Batterien schon ziemlich schwach waren.
    Richard zog sich Halbstiefel und eine Lederjacke an, um so gegen Rattenbisse zumindest halbwegs gewappnet zu sein und kroch erneut in die Kammer. Der Schein der Lampe beleuchtete einen Teil des schmalen Ganges, war aber zu schwach, um über die gesamte Länge zu reichen.
    Er kletterte durch die Luke und richtete sich auf. Die Luft war schal und roch nach feuchten Lumpen und Schimmel. Er konnte sich nur seitwärts bewegen und überlegte, dass man bei der Konstruktion des Fluchtwegs nicht an korpulente Menschen gedacht hatte. Die wären hier stecken geblieben wie ein Korken in einem Flaschenhals.
    Er leuchtete die Außenwand an. Sie war in einem mäßigen Zustand, wies feuchte Flecke auf und hatte feine Risse, von denen allerdings keiner groß genug war, um mehr als eine Spinne durchzulassen. Außerdem verbarg sich dahinter noch

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