Zwilling verzweifelt gesucht
für eine Stunde zu verleihen. Ihm wird schon nichts passieren. Nun, wo ich Frau Rabusch schon ein bisschen besser kenne, halte ich es für unwahrscheinlich, dass sie Moppel im Backofen grillt oder sonst etwas Fieses mit ihm anstellt.
„ Ich kann ihn auch abholen “ , biete ich noch an.
„ Ach, das wäre nett. “ Frau Rabusch öffnet die Haustür, Moppel schlüpft an ihren Beinen vorbei und trabt in den Flur, als hätte er ein Leben lang hier gewohnt. Hm, da ist so ein Stich irgendwo in meinem Bauch. Gefällt es meinem – na gut, UNSEREM – Hund etwa hier besser als bei uns? Heißt es nicht immer, Hunde sind treu bis in den Tod und so weiter?
„ Tschüs, Moppel “ , sage ich aber nur. „ Bis nachher, Frau Rabusch. “
„ Bis nachher “ , sagt Frau Rabusch. „ Und dankeschön. “
Als ich auf unser Haus zugehe, fällt mir Mara wieder ein. Ich muss sie anrufen, daran führt kein Weg vorbei. Sie sitzt sicher neben ihrem Telefon und kaut an den Nägeln. Ich selbst kaue nicht an den Nägeln – das schmeckt doch widerlich! – aber solche Angewohnheiten sind vielleicht nicht erblich. Wir können ja ruhig unterschiedliche schlechte Angewohnheiten haben, Mara und ich. Ich meine, wir sind ja trotzdem ganz verschiedene Menschen.
Jedenfalls ist es nicht fair von mir, sie nicht anzurufen. Ich muss noch ein ganzes Stück Schokolade essen – jetzt kann ich sie den Jungs sowieso nicht mehr geben –, bevor ich es schaffe, diese Nummer zu tippen. Ich höre es in der Leitung tuten und überlege, ob ich nicht doch ganz schnell wieder auflege. Aber da knackt es schon und eine schüchterne Mädchenstimme meldet sich.
„ Hallo? “
„ Hallo. Hier ist Svenja. “
Pause.
Ich muss nicht sagen, dass ich vielleicht ihre Schwester bin. Sie muss es spüren. Ich spüre ehrlich gesagt nichts, außer dass meine Knie weich sind wie Schaumgummi.
„ Ich bin Mara “ , sagt das Mädchen, was jetzt nicht so die richtig überraschende Information für mich ist.
„ Du hast unser Plakat gesehen? “
„ Ja. Hab ich. “
Hm, sehr gesprächig ist sie nicht. Ich stelle mir ihre weichen Knie vor, die genauso aussehen wie meine Knie, und ihr vor Aufregung blasses Gesicht, das genauso aussieht wie mein vor Aufregung blasses Gesicht. Aber ihre Stimme klingt doch nicht so wie meine Stimme. Da hat sich Alisia vertan. Maras Stimme ist viel piepsiger. Oder klinge ich selbst womöglich piepsig am Telefon? Man weiß ja nie so genau, wie die eigene Stimme klingt, und bekommt dann einen Schreck, wenn man eine Tonaufnahme von sich hört.
„ Ich glaube, ich bin deine Schwester “ , sagt Mara jetzt zögernd. „ Es kann sein. Ich meine, ich glaube das irgendwie. “
Hmmm. Sehr schwammig.
„ Und warum glaubst du das? “
„ Weil ich so aussehe. “
„ So wie auf dem Bild? “
„ Na ja. “ Sie zögert. „ Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, ich würde mich niemals so anziehen. So mit diesen rosa Rüschen. Ich will dich ja nicht beleidigen, aber ich mag eigentlich überhaupt keine rosa Rüschen. “
Das … das muss sie sein! Meine Schwester!
„ Ich suche meine Zwillingsschwester “ , sage ich. „ Das ist eigentlich ein Bild von mir. “
„ Ach so. “
„ Aber ich ziehe so was auch nicht an. Normalerweise. “
„ Ach so. “
Wieder schweigen wir eine Weile.
„ Heißt du schon immer Mara? “ , frage ich.
Wieder dauert es einen Moment, bis sie antwortet, als würde sie jede meiner Fragen für eine raffinierte Rätselaufgabe halten.
„ Schon “ , sagt sie dann. „ Soweit ich weiß. Heißt deine Schwester anders? “
„ Keine Ahnung “ , gebe ich zu. Dann hole ich tief Luft. „ Können wir uns treffen? “
„ Klar. Wir müssen uns treffen. “
„ Schlag was vor. Bei mir zu Hause nicht. Noch nicht. “
„ Bei mir auch nicht. Vielleicht in der Eisdiele? “
Sie muss es sein! Sie muss es einfach sein!
„ In Ordnung. Hast du eine Lieblingseisdiele? “
Einen Moment lang erwarte ich, dass sie „ Marinello “ sagt.
„ Nein. Habe ich nicht. “ Schade. Na ja. „ Ich mag Eis überall und immer. “
Wir einigen uns auf die Eisdiele im neuen Einkaufszentrum. Dort ist immer viel los und wir werden kaum auffallen. Hm, warum sollten wir auffallen? Wir sind doch nur ganz normale Zwillinge, das ist nichts Besonderes. Dann schweigen wir beide wieder eine Weile, bis ich mir einen Ruck gebe.
„ Bis morgen also. “
„ Ja. Bis morgen. “
Und dann ist sie weg.
Ein etwas mageres Gespräch für zwei Schwestern,
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