Zwilling verzweifelt gesucht
anders geheißen haben. “
„ Sara zum Beispiel “ , schlage ich vor.
„ Genau! “
„ Und sie ist sich ganz sicher? Dass sie S2 ist, meine ich? “
„ Sie hat behauptet, sie sieht ganz genauso aus wie das Mädchen auf dem Plakat. Und sie hat schon immer gewusst, dass ihre Mutter nicht ihre richtige Mutter ist. “
Das muss ich erst einmal verdauen. Die Autos sind zu laut. Die Passanten sind zu hektisch. Der Himmel ist zu grau. Das Pflaster ist zu hart. Und den kleinen, zarten Löwenzahn habe ich einfach zertreten. Na ja, vielleicht erholt er sich noch mal. Unkraut vergeht nicht, sagt meine Tante.
Bevor wir weiterreden, brauchen wir einen besseren, einen ruhigeren Platz. Die Eisdiele ist ja leider verbrannte Erde, aber ich habe sowieso kein Geld mehr.
„ Komm mit zu mir nach Hause “ , schlägt Alisia vor. „ Wir haben noch Kuchen von Omas Geburtstag. “
Appetit verspüre ich jetzt wirklich nicht, aber trotzdem hat der Gedanke an Kuchen etwas Tröstliches.
„ Nächste Woche kommt unsere Sendung im Fernsehen “ , sage ich. „ Und dabei stimmt jetzt gar nichts mehr. Es ist alles falsch. Die müssen unbedingt noch mal kommen. “
Alisia zuckt mit den Schultern, setzt ihren Helm auf, steigt auf ihr Fahrrad und strampelt los. Nur gut, dass es in der Stadt so viele Radwege gibt! Wenn ich mich in meinem momentanen Zustand in den normalen Verkehr mischen müsste, gingen meine Überlebens chancen gegen null.
Wenig später erreichen wir außer Atem das Haus, in dem Alisia mit ihrer Mutter wohnt. Es ist ein dreistöckiges Mietshaus, und Alisia wohnt unter dem Dach. Ich finde es in ihrer Wohnung immer ziemlich kuschelig, fast wie in einem Baumhaus.
Alisia serviert den Apfelkuchen mit Streuseln auf kleinen Tellern und mit richtigen Kuchengabeln. Überraschenderweise schmeckt der Kuchen doch, und darüber hinaus hat er noch die beruhigende Wirkung, die ich mir erhofft hatte. Nach dem zweiten Stück habe ich das Gefühl, dass mich so leicht nichts umhauen kann – nicht einmal eine Zwillingsschwester.
„ Ich hätte nie gedacht, dass sie Mara heißt “ , sage ich.
„ Sie heißt ja gar nicht richtig Mara “ , behauptet Alisia einfach. „ Das hat gar nichts zu sagen. Und ich finde, sie hat eine ganz ähnliche Stimme wie du. Sie lacht auch so ähnlich wie du. Am Telefon könnte man euch glatt verwechseln. “
Mir läuft ein wohliger Schauer über den Rücken. Ich bin noch nie im Leben verwechselt worden! Das kenne ich nur von meinen Geschwistern.
„ Wie geht das denn jetzt weiter – muss ich sie anrufen? “ Plötzlich wird mir mulmig.
Ich bin mir gar nicht mehr so sicher, ob ich dringend eine Zwillingsschwester brauche. Ich meine, wenn ich jetzt da anrufe, wird sich mein ganzes Leben verändern. Und das Leben meiner Eltern. Und Alisias Leben. Und das Leben meiner Geschwister. Und überhaupt …
„ Klar “ , sagt Alisia nüchtern. „ Sonst kannst du sie ja nicht kennenlernen. “
Sie hält mir den Zettel mit der Nummer hin. Den hat sie vom Plakat einfach abgerissen.
Ich sehe die Zahlen an, als könnten sie mir Auskunft geben, dann knicke ich den ohnehin schon kleinen Zettel zusammen und stecke ihn ein. Ich darf ihn nicht verlieren, sonst war alles umsonst.
„ Jetzt nicht “ , erkläre ich.
Alisia starrt mich an. „ Bist du nicht neugierig? “
„ Doch, klar. Aber … trotzdem. “
Alisia steht auf und holt sich noch ein Stück Streuselkuchen. Kuchen hilft, Enttäuschungen besser zu verkraften.
„ Du musst deine Eltern schonend darauf vorbereiten “ , rät sie, als sie zurück ist. „ Sonst kriegen die einen Schock oder so etwas. “
„ Meine Eltern wirft so schnell nichts um “ , brumme ich. Sieben Kinder, zwei Hunde, ein Krawallator, Brennnesselplagen, Fernsehteams, meine Eltern stehen alles Mögliche durch. Na gut, man weiß nie …
„ Ich erzähle ihnen erst alles, wenn ich Mara selbst getroffen habe “ , erkläre ich.
„ Okay. “
Alisia stellt die Teller aufeinander und trägt sie in die Küche. Sie ist sehr ordentlich erzogen. Außerdem hat sie keine Geschwister, auf die sie lästige Pflichten abschieben könnte.
Als Finn mir auf mein Klingeln hin öffnet (ich habe noch keinen eigenen Schlüssel, aber das macht nichts – irgendjemand ist bei uns immer zu Hause), stürmt Moppel mir entgegen, springt so nebenbei kurz an mir hoch und drängt sich dann an meinen Beinen vorbei.
„ Pass auf “ , knurrt Finn. „ Der rennt dauernd auf die Straße. “
Und schon ist
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