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Zwilling verzweifelt gesucht

Zwilling verzweifelt gesucht

Titel: Zwilling verzweifelt gesucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Obrecht
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Schultern.
    „ Du hattest gleich ganz lange, dunkle Haare – nein, Moment! Du hattest gar keine Haare? Oder warst du diejenige mit dem leichten blonden Flaum? “ Er kratzt sich am Kinn. „ Babys sehen einander ähnlich. Jedenfalls konntest du vom ersten Tag an entsetzlich laut schreien. Da verwechsle ich dich bestimmt nicht. “
    „ Und es gibt überhaupt kein Bild? “
    Papa überlegt. „ Frag deine Großeltern “ , sagt er schließlich. „ Die haben damals auch fotografiert? Oder war es dein Onkel? Nein, der kam bei Jule und Jana … “
    Ich seufze. Mein Vater ist als Informationsquelle ungefähr so zuverlässig wie Käpt’n Blaubär. Und er ist schusselig. Ich traue ihm beinahe zu, dass er S Zwei irgendwo auf einem Bahnsteig oder beim Picknick vergessen hat.
    „ Weißt du, was blöd ist? “ , frage ich. „ Ich meine, jetzt wo das Fernsehen kommt. “
    „ Dass wir die Brennnesseln noch nicht abgemäht haben? “ Papa runzelt die Stirn. „ Mama hatte wirklich keine Zeit. Dafür hat sie schon wieder etwas Interessantes ausgesät … eine afrikanische Paprikasorte … nein, eine amerikanische … oder war es eine Aubergine? “
    „ Blöd ist “ , sage ich sehr betont, „ dass ich keinen Zwilling habe. “
    Papa zuckt mit den Achseln. „ Ach weißt du, die vom Fernsehen waren mit unseren drei Zwillingspaaren ganz zufrieden. “
    Ich lasse nicht locker. „ Aber wenn ich einen Zwilling hätte, würde ich auch dazu passen. Ich müsste doch eigentlich einen Zwilling haben, oder? Warum habe ich denn keinen? “
    Papa lächelt. „ Sieh dich um! Mindestens neunundneunzig Prozent der Menschen, die dich gerade umgeben, haben keinen Zwilling! “
    Ich sehe mich um. Mich umgeben genau genommen gerade überhaupt keine Menschen. Irgendwo brummt ein Rasenmäher und jetzt kommt wenigstens der Mann um die Ecke, der mittwochs immer die Reklameblättchen verteilt. Gut, er hat vielleicht keinen Zwilling, aber was geht mich das an? Ich gehöre zu einer Zwillingsfamilie!
    Wir sind wieder am Haus angelangt. Meine Brüder tragen irgendwelches Gerümpel in den Schuppen und Mama schiebt die Biotonne in die hinterste Ecke des Gartens, weil sie so stinkt. Mops und Moppel jagen sich durch die Brennnesseln, die Wesen in dichten Fellanzügen offenbar nichts anhaben können.
    Finn kommt zurück und wischt sich die Hände an den Jeans sauber.
    „ Du musst ja gar nicht dabei sein, wenn die vom Fernsehen kommen “ , teilt er mir herablassend mit. „ Dich können sie nicht gebrauchen. “
    „ Sei nicht garstig! “ Mama stößt ihn sanft in den Rücken. „ Natürlich gehört sie dazu! “
    „ Aber sie ist doch langweilig! Sie ist nur ein Einling. “
    Da ist es wieder. Ich setze meine gleichgültigste Miene auf.
    „ Du hast übrigens einen schwarzen Fleck auf der Nase. Mach ihn lieber weg, bevor er gefilmt wird “ , sage ich.
    Finn wischt sich panisch mit dem Ärmel über die Nase, auf der natürlich gar kein Fleck zu sehen ist.
    „ Außerdem bin ich froh, wenn sie mich in Ruhe lassen “ , füge ich noch hinzu. „ Dann muss ich wenigstens mein Zimmer nicht aufräumen. “
    „ Hast du eine Ahnung “ , fängt Mama an.
    Es ist leider immer noch nicht der richtige Moment, um sie nach meiner Geburtsurkunde zu fragen.

Wir bekommen noch nicht mal schulfrei, obwohl sich dieses doofe Fernsehteam angesagt hat. Es will unseren ganz normalen Alltag filmen. Das ist doch nicht zu fassen! Meine Eltern sind noch eine Stunde früher aufgestanden als sonst, um das Chaos in Küche und Bad überschaubar zu halten. Seither brüllen Rasmus und Robin abwechselnd und Jule und Jana rennen auch schon durch die Wohnung, obwohl sie heute nicht in den Kindergarten gehen. Das ist übrigens unfair.
    „ Manchmal würde ich die beiden doch am liebsten vor den Fernseher setzen “ , seufzt Mama. „ Nur damit Ruhe ist. “
    Sie versucht, die sich balgenden kleinen Mädchen auseinanderzuzerren, aber Jule hält sich noch an Janas Haaren fest.
    „ Bist du wahnsinnig? “ , fährt Papa sie an. „ Genau darauf warten die doch. Überforderte Mutter setzt die Kinder einfach vor der Kiste ab – ich höre schon die Kommentare … “
    „ Ich tu’s ja nicht! “ , beschwichtigt Mama. „ Träumen darf man doch ab und zu. “
    Sie wirft mir, die ich fertig angezogen und ratlos im Trubel herumstehe, einen Verständnis heischenden Blick zu.
    „ Ihr schmiert euch eure Pausenbrote heute selber, ja? Du siehst ja, dass ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht.

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