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Zwilling verzweifelt gesucht

Zwilling verzweifelt gesucht

Titel: Zwilling verzweifelt gesucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Obrecht
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was ich nicht wirklich sehen will. Jule und Jana sind von Kinn bis Stirn mit etwas beschmiert, das wie Schokoladenpudding mit weißen Flocken drin aussieht. Von Robin und Rasmus fehlt jede Spur, sie scheinen zu schlafen.
    Von Papa fehlt auch jede Spurt. Er ist wohl in seiner Werkstatt und hämmert auf irgendetwas ein. Ich entdecke auch keine Geldbündel.
    Mops und Moppel schleppen sich auf den Teppich und brechen vor einem Henkelkorb zusammen, den jemand mit rotgoldenen Stoffbändern umwickelt hat. Ein grüner Flaschenhals ragt aus einem Berg bunter Packungen, Dosen und Tuben.
    „ Und was ist das? “ , erkundige ich mich vorsichtig.
    „ Ein Geschenkkorb “ , murmelt Mama mit geschlossenen Augen.
    „ Was? “
    „ Ein Fresskorb. Den haben die uns gegeben. Für unsere Mühe, haben sie gesagt. “
    Ich trete näher und mustere Fruchtzwerge, Früchtetee, Gummibärchen, Buchstabenkekse und Fertigsoßen.
    „ Habt ihr schon alles ausgeräumt? Vielleicht haben sie das Geld ja drunter versteckt, als Überraschung. “
    „ Welches Geld denn? “ , fragt Mama unwirsch, aber sie richtet sich auf. „ Na ja, du kannst ja mal nachsehen. “
    Jetzt wirkt sie auf einmal wieder wach. Finn und Fabian kriegen gar nichts mit, aber Jule und Jana helfen mir mit Feuereifer, den Inhalt des Korbs auf dem Wohnzimmerteppich zu verteilen. Wer immer diese Waren zusammengestellt hat, hält
    a) meine Eltern für hoffnungslose Köche,
    b) uns Kinder für hemmungslos zuckersüchtig (na ja, das kommt fast hin) und
    c) unsere Geschmacksnerven für völlig verkümmert.
    Nicht der allerbescheidenste Geldschein verbirgt sich unter dem untersten Päckchen (einer Backfertigmischung für Russischen Zupfkuchen).
    Ich betrachte die über den Teppich verstreuten Leckereien.
    „ Was meinst du, wie viel ist das alles zusammen wert? “
    „ Weniger als eine einzige Zahnfüllung “ , murmelt Mama und lässt sich wieder aufs Sofa sinken. „ Aber wenigstens sind sie weg. Ich habe keinen von ihnen erwürgt und Jule hat keinen von ihnen gebissen. “
    Ich nicke. Dann räume ich alle Sachen wieder in den Korb, bis auf eine Packung Geleebananen, die ich mir als Trost sichere.
    Wir sitzen alle im selben Boot. Die Fernsehleute haben uns alle im Stich gelassen. Sie sind geizig wie Onkel Dagobert und helfen mir nicht mal, meine Zwillingsschwester zu suchen.
    „ Mohrenköpfe sind leider keine mehr da “ , sagt Jule. Sie fährt sich mit dem Handrücken über den Mund und leckt die Hand ab. Ich schüttle mich und greife nach einer Geleebanane.
    „ Und wann wird das gesendet? “ , frage ich mit vollem Mund.
    „ Keine Ahnung. Die sagen uns dann Bescheid. “ Mama hat die Augen wieder geschlossen.
    „ Wenn meine Zwillingsschwester noch da wäre, hätten sie sich auch für mich interessiert “ , sage ich mutig.
    Vielleicht kann ich meine Mutter überrumpeln? Sie scheint sich gerade sehr schwach zu fühlen. Aber meine Hoffnungen werden enttäuscht.
    „ Sei froh, dass du nicht hier warst. Die wollten überhaupt nicht wissen, wie es bei uns zugeht. Die hatten schon vorher einen genauen Plan gemacht, an den wir uns halten sollten. Die haben uns unsere Texte geschrieben und alles. “ Sie streckt sich, gähnt, öffnet die Augen wieder. „ Ein Wunder, dass sie nicht vorsorglich eine perfekte Mutter mitgebracht und mich rausgeschmissen haben. “
    Ich deute auf den Korb. „ Möchtest du was davon? “
    Mama schüttelt sich. „ Wenn ich das alles sehe, kriege ich Lust auf eine Karotte. “
    Karotten gedeihen in Mamas Gemüsegarten ganz prächtig. Es ist ein Jammer, dass wir keine Kaninchen haben. Mein Vater meint leider, wenn man Kaninchen hat, muss man auch Kaninchen essen. Das kommt natürlich überhaupt nicht infrage, also verzichten wir auf die Kaninchen und essen unsere Karotten selbst.
    Mama rappelt sich auf, fischt mit den Füßen nach ihren alten Hausschuhen, aber dann fällt ihr offenbar ein, dass sie die heute Morgen in einem Anflug von Panik in den Müll geworfen hat. Also geht sie in Strümpfen in die Küche. Ich höre, wie sie den Kühlschrank öffnet und gehe ihr nach.
    „ Wo ist eigentlich meine Geburtsurkunde? “ , frage ich so ganz nebenbei.
    „ Was? “

    „ Ich würde einfach gerne mal meine Geburtsurkunde sehen, das ist alles. “
    „ Bezweifelst du, dass du geboren bist? “
    „ Haha. Nein. Nur so. “
    „ Im Büro. Im Ordner. “ Mama hält ein leeres Glas unter den Wasserhahn und dreht auf. „ Auf dem Ordner steht irgendwas. Familie.

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