Zwillingsbrut
einer Skimaske über dem Kopf. Er riss eine behandschuhte Hand hoch.
Eine Messerklinge blitzte auf.
Sie schrie, schlug mit ihrer Handtasche nach ihm und versuchte zu fliehen. Zu spät. Er prallte gegen sie.
Wumm.
Sie schlug mit der Stirn auf den Betonboden. Blut strömte ihr übers Gesicht, während sie erbittert mit ihm rang. Adrenalin schoss durch ihren Körper; sie kämpfte mit aller Kraft, schrie, fluchte, packte sein Handgelenk und drückte die Klinge von ihrer Kehle weg.
»Miststück!«, knurrte er, dann ertönte ein anderes Geräusch: Ein, zwei Ebenen über ihnen wurde ein Motor angelassen.
Für den Bruchteil einer Sekunde war er abgelenkt, blickte zur Seite; sie wand sich unter ihm, drehte sein Handgelenk mit dem Messer nach oben, und als er den Kopf wieder zu ihr drehte, fuhr die Klinge neben seinem Auge in die Skimaske und schlitzte sie auf, an seiner Schläfe bildete sich eine feine rote Linie.
»Hilfe! Hilfe!«, schrie sie, als sie hörte, wie der Wagen nach unten kam.
Er hörte es ebenfalls. Wild fluchend stieß er sie von sich, sprang auf und rannte davon, gerade als das Auto, ein weißer Volkswagen, um die Ecke bog und direkt auf sie zukam.
Die Fahrerin, eine Frau in ihrem Alter, trat auf die Bremse, dann rief sie durch das offene Fenster: »Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Was ist passiert?« Sie zuckte zurück, als sie Kaceys blutüberströmtes Gesicht sah, und wählte bereits den Notruf.
Als Kacey den Überfall in ihrer Vorstellung jetzt noch einmal durchlebte, verspürte sie wieder die eisige Furcht, die sie in Schweiß ausbrechen ließ.
Sie erzählte Trace, was passiert war, wie sie gerade eben mit dem Leben davongekommen war. Sie hatte sich für ein zufälliges Opfer gehalten, war davon ausgegangen, dass ein Irrer im Parkhaus auf den geeigneten Moment gelauert hatte. Er hatte keine Anstalten gemacht, sie auszurauben, hatte ihre Handtasche liegen gelassen. Hatte er sie vergewaltigen wollen? Möglich. Aber sie hatte seine Augen hinter den Schlitzen seiner Skimaske gesehen: stahlblau, die Pupillen erweitert, der Blick kalt und tödlich. Vielleicht hatte er sie zunächst entführen und sie dann vergewaltigen oder foltern wollen, das konnte sie nicht sagen, doch sie war sich sicher, dass er sie hatte töten wollen.
»Die Polizei hat ihn nie gefunden?«, fragte Trace sachlich.
»Nein. Ich weiß, dass ich ihn mit dem Messer verletzt habe, aber sie haben keine Blutspuren außer meinen eigenen gefunden. Und deshalb ist er noch immer irgendwo da draußen.«
»Und installiert eine Abhöranlage bei dir?«
»Warum?«, flüsterte sie laut.
Trace antwortete nicht.
»Shelly Bonaventures Tod war sorgfältig geplant«, überlegte sie, »es sollte so aussehen wie ein Selbstmord. Jocelyn Wallis ist in die Klamm gestürzt, Elle Alexanders Minivan in den Fluss … Solche Aktionen, sollte jemand nachgeholfen haben, brauchen Zeit und Planung.«
»Vorausgesetzt, es hat tatsächlich jemand nachgeholfen«, gab er zu bedenken, aber Kacey ließ sich nicht beirren.
»Als ich gegen den Psychopathen in der Parkgarage gekämpft habe, dachte ich, der Typ wäre einfach nur ein Irrer, komplett neben der Spur. Nicht die Sorte, die den Tod eines anderen bis ins Detail hinein plant.«
»Hast du eine Alarmanlage hier?«
»Keine Alarmanlage, außer Bonzi.«
»Waffen?«
»Die Schrotflinte von meinem Großvater.«
»Möchtest du zur Polizei gehen?«
»Nein«, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. »Noch nicht.«
»Dann bleibe ich bis morgen früh hier. Du nimmst den Hund mit nach oben, und ich kampiere mit der Schrotflinte auf dem Sofa.« Er öffnete die Haustür, und sie gingen wieder hinein. Kacey war froh, draußen war es bitterkalt gewesen.
Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte, dass er die Nacht bei ihr verbrachte. Was wusste sie schon von Trace O’Halleran? Er schien ein netter Kerl, ein guter Vater zu sein, aber reichte das, um ihm eine Waffe in die Hand zu drücken und sich dann ein Stockwerk höher schlafen zu legen? Nicht nach dem, was passiert war.
»Wie wär’s, wenn du den Hund nimmst und ich die Schrotflinte?«, flüsterte sie.
Er verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. »Clever«, sagte er und griff nach der Decke, die zusammengefaltet am Sofaende lag. »Ich mache dir einen Vorschlag: Du nimmst beides.«
Der Schnee rieselte in großen, feuchten Flocken vom Himmel und sammelte sich am Rand des nachtdunklen Flusses. Zitternd stand Kacey am eisigen Ufer. Der
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