Zwillingsbrut
dass sie entstanden waren. Lautlos und kalt rieselten die dicken Flocken vom Himmel; doch in ihm machte sich glühender Zorn breit, wenn er an all die Dinge dachte, die sie herausgefunden und O’Halleran anvertraut hatte.
In Acacias Zimmer war irgendwann Licht angegangen, daraufhin hatte er sich schnell noch tiefer im Gebüsch verborgen und war anschließend zu seinem Wagen zurückgeeilt. Es war mit dem Auto nicht weit bis zu seinem Versteck, und er war hineingehastet, begierig darauf, Acacia zu belauschen, doch er hatte nicht mehr erfahren als schon am Abend.
Das Blut rauschte heiß durch seine Adern. Er wollte Acacia sterben sehen. Bald.
Jetzt.
Aufgewühlt riss er sich den Kopfhörer ab und schleuderte ihn zu Boden. Wenn er nur mehr hätte verstehen können! Der erste Teil der Unterhaltung war deutlich gewesen, doch dann hatten die zwei den Fernseher und das Radio lauter gedreht.
Hatten sie etwas bemerkt? Hatten sie die winzigen Mikrophone entdeckt? Wussten, dass er sie belauschte?
Das konnte doch nicht sein!
Und warum blieb O’Halleran über Nacht? Ausgerechnet O’Halleran! Leannas Ex. Wie hatte es dazu kommen können? Sie würden zusammen sterben müssen. Irgendwie würde er schon einen Weg finden.
Leanna … Er biss die Zähne zusammen. Acacia war auf viele der Frauen gestoßen. Zu viele!
Und O’Halleran hatte ihr von Leanna erzählt.
Leanna … die ihren Sohn bei ihrem Ex gelassen hatte …
Ihren Sohn …
Er dachte einen Augenblick darüber nach und beruhigte sich etwas.
O’Halleran befürchtete, dass die Polizei ihn für verdächtig halten würde. Er stand mit Leanna und Acacia in Verbindung, und so, wie es klang, hatte er ein Verhältnis mit Jocelyn Wallis gehabt.
Der Rancher hatte recht: Natürlich würde man ihn verdächtigen! Perfekt. Mit ein bisschen Hilfe von außen könnte man ihm das Ganze tatsächlich in die Schuhe schieben.
Man musste die Dinge nur auf die richtige Art und Weise vorantreiben.
Pescoli bog auf den Parkplatz des Departments, wobei sie auf dem vereisten Schnee leicht ins Schlittern geriet und unverhältnismäßig heftig fluchte. Die Worte hallten in ihren Ohren wider, und sie gab sich alle Mühe, nicht total genervt zu sein – von sich selbst und von der Welt im Allgemeinen.
Bianca hatte Mononukleose. Pfeiffersches Drüsenfieber, auch »Kusskrankheit« genannt, weil sich das Virus hauptsächlich über den Mund übertrug. Pescoli hatte gehofft, dass auch Biancas Freund davon betroffen wäre, aber nein, so viel Glück hatte sie nicht. Chris war kerngesund und klebte an ihrer Tochter wie eine Klette. Bislang hatte der Bursche das Haus der Pescolis gemieden, wenn Regan da war, doch plötzlich schien er es als seine Lebensaufgabe zu betrachten, sich um Bianca zu kümmern.
Als er gestern gegen Mittag aufgetaucht war, hatte sie ihn zur Schule zurückgeschickt, doch am Abend war er wieder da gewesen und hatte sich bei ihnen aufgehalten, während Bianca fast die ganze Zeit über auf dem Sofa geschlafen hatte.
Doch es war noch schlimmer gekommen: Michelle, Luckys Tussi-Ehefrau, hatte verkündet, Bianca sei während der Feiertage so gar nicht sie selbst gewesen, und gefragt, ob Pescoli nicht mit ihr zum Arzt gehen wolle. Was tat es schon zur Sache, dass Pescoli bereits alles versucht hatte, ihre Tochter genau dazu zu bewegen? Doch Bianca hatte sich bisher strikt geweigert, zu Dr. Lundell, ihrem Kinderarzt, zu gehen.
»Ich bin zu alt dazu!«, hatte sie ihre Mutter angeschrien. »Es geht mir gut, lass mich einfach in Ruhe!«
Na schön, vielleicht hätte sie darauf bestehen sollen, aber sie hatte insgeheim vermutet, Bianca würde ihre Krankheit nur vortäuschen, um mit Chris abhängen zu können. Und weil bei der Arbeit ebenfalls alles drunter und drüber ging, hatte sie die Sache schleifen lassen. Das war keine Entschuldigung, weshalb sie nun von höllischen Schuldgefühlen geplagt wurde, aber es war die Wahrheit. Das Gute war: Ihre Tochter nahm zumindest keine Drogen oder litt an irgendeiner ernsten Krankheit.
Trotzdem lag sie jetzt krank zu Hause; Jeremy war ebenfalls da, mit allem Möglichen, nur nicht mit etwas Konstruktivem beschäftigt; und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit stünde Chris wieder vor der Tür.
Sie
müsste eigentlich auch da sein.
Pescoli schob den Jackenärmel hoch und blickte auf die Uhr. Sieben in der Früh. Vielleicht könnte sie ein paar Stunden arbeiten, bevor sich zu Hause etwas regte. Sie hatte vor, so lange wie möglich zu
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