Zwillingsbrut
»Wusstest du davon?«
Judd verzog das Gesicht, wenngleich er keine Antwort gab, doch das genügte Alvarez als Eingeständnis.
»Nun gib’s schon zu, Sohn«, drängte ihn sein Vater.
»Judd?«, fragte nun auch Noreen flehentlich.
Judd zuckte die Achseln. »Na schön, ich habe davon gehört«, gab er widerstrebend zu. Seine Lippen kräuselten sich vor Verachtung. »Clarissa kann kein Geheimnis für sich behalten, das konnte sie noch nie.«
Noreen, am Boden zerstört, stieß die angehaltene Luft aus. Gerald seufzte tief. Das Gasfeuer flackerte. »Du kannst ihn nicht länger schützen«, sagte er zu Judd.
»Wo ist er?«, fragte Pescoli.
»Ich weiß es nicht.« Gerald schüttelte den Kopf. »Er bleibt gern für sich.«
»Rufen Sie ihn an!«, befahl Pescoli.
»Das habe ich schon auf dem Weg hierher getan«, gab Judd zu. »Er geht nicht dran.«
»Versuchen Sie es noch einmal!« Sie würde nicht lockerlassen, doch Alvarez wusste, dass sie das im Augenblick nicht weiterbrachte. Sie hatten mehr erfahren als erwartet, und jetzt mussten sie handeln. Schnell. Um Cameron Johnson davon abzuhalten, erneut zuzuschlagen. »Wir haben jetzt keine Zeit dafür«, sagte sie daher zu ihrer Partnerin und zog ihr Handy aus der Tasche.
»Du hast recht.« Mit einem letzten ärgerlichen Blick in Richtung der Johnson-Familie wandte sie sich zum Gehen. »Schnappen wir uns diesen Irren!«
Klick!
Trace hörte, wie der Hahn einer Waffe gespannt wurde, und erstarrte. In der Dunkelheit konnte ihn niemand sehen. Wer immer im Stall war, würde nicht in der Lage sein, auf ihn zu feuern. Das war sein Vorteil. Er dagegen konnte sich in dem alten Gebäude blind zurechtfinden.
Es sei denn, der Kerl hatte ein Nachtsichtgerät. Oder ein entsprechendes Zielfernrohr auf seiner Waffe.
Sarge knurrte wieder, tief und kehlig.
Trace spürte, wie sich der Hund anspannte. Er fasste die Heugabel fester und schlich auf einen der dicken Stützbalken zu, um wenigstens etwas Deckung zu haben.
Zeig dich, du kranker Bastard.
Durch die offene Stalltür fiel bleiches Mondlicht herein, bevor sich wieder Wolken vor die dünne Scheibe am Himmel schoben. Da bemerkte er es. Eine winzige Bewegung, ein Schatten in der Dunkelheit. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er sich suchend um, die Heugabel hoch erhoben, bereit, zuzustoßen. Doch plötzlich erstarrte er. Sein Herz raste.
Eli.
Was war, wenn der Kerl seinen Sohn oder Kacey in seiner Gewalt hatte? Oder beide?
Was für eine grauenhafte Vorstellung!
»Worauf wartest du?«, fragte eine tiefe Männerstimme spöttisch. »Glaubst du wirklich, du kannst mit dieser albernen Heugabel etwas ausrichten?« Gelächter ertönte. Rauh. Grausam.
Dann konnte der Scheißkerl ihn also sehen. Trace fing an zu schwitzen.
»Wer bist du?«, fragte er, die Heugabel noch immer in der Luft.
»Spielt das eine Rolle?«
»Eli?«, fragte er.
»Nein! Ich bin nicht Eli.« Eine Pause. Dann: »Ach, du meinst deinen Sohn? Was zum Teufel denkst du denn?«
Dann war der Junge also nicht in seiner Gewalt.
Gott sei Dank!
»Lass Kacey in Ruhe!«
»Weshalb sollte ich? Wo ich schon so lange gewartet habe!«
Trace krümmte sich innerlich. Kacey war in den Fängen dieses Wahnsinnigen, und er hatte vor, sie zu töten! Wenn er das nicht längst getan hatte. Zorn wallte in ihm auf. Hätte er doch wenigstens eine Taschenlampe, damit er etwas erkennen konnte!
»Sie wartet auf dich. Ich dachte, es würde dir besser gefallen, wenn ich dich im Haus umbringe, zusammen mit ihr. Es wird so aussehen, als hätte sie es getan. Ein Unfall, verstehst du?«
Sie war noch am Leben?
»Du perverser Irrer!« Doch leider war der Kerl nicht irre genug, die Waffe in einem geschlossenen Raum abzufeuern, wo die Kugel abprallen konnte. Oder vielleicht doch?
Ganz in der Nähe knurrte Sarge.
»Sag dem Köter, er soll abhauen«, befahl die Stimme, »oder ich puste ihm sein räudiges Fell weg!«
»Komm raus und zeig dich!«, verlangte Trace.
»Nie im Leben!«
»Dann fahr zur Hölle!«
Trace holte aus, trat hinter dem Pfosten hervor und schleuderte die Heugabel mit aller Kraft durch die Luft in Richtung der Stimme, dann sprang er schnell zurück in Deckung.
»Aaauuu!« Ein grauenvoller Schrei gellte durch den Pferdestall. »Du Scheißkerl!«
Wuuummm!
Ein greller Blitz zuckte vor Trace’ Augen. Das Dröhnen eines Schusses hallte in seinem Hirn wider. Die Pferde wieherten panisch, die Hunde bellten und jaulten.
Die Kugel traf ihn mit solcher Wucht, dass Trace
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