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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
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bildete kleine Wölkchen in der kalten Luft.
    Sie riss den Blick vom Boxer Bluff los und schloss ihr Auto auf. Vielleicht hatte der Bastard Angst bekommen, die Symptome, die das Arsen hervorrief, würden Jocelyn Wallis zwingen, vor ihrem Tod einen Arzt aufzusuchen. Nun, wenn sie schnell genug reagiert hätte, wäre sie vielleicht verschont geblieben.
    War er nur kribbelig, konnte es nicht länger abwarten, oder gab es einen Grund, dass er seinen ursprünglichen Plan, sie langsam verenden zu lassen, geändert hatte?
    Vorausgesetzt, Jocelyn war tatsächlich über die Brüstung gestoßen worden, was noch immer nicht bestätigt war.
    »Noch nicht«, sagte sie zu sich selbst und kletterte in ihren Jeep. Während sie den Motor anließ, blickte sie noch einmal hinauf zum Gipfel des Hügels. Fast bildlich sah sie vor sich, wie Jocelyn Wallis über die Brüstung in die Tiefe stürzte, mit rudernden Armen und Beinen, das Gesicht verzerrt vor Angst und Schmerz, während hinter ihr eine schemenhafte Gestalt ihren Fall verfolgte – hämisch grinsend, voller Stolz über seine durchtriebene Tat.
    Alvarez spürte ein säuerliches Gefühl in ihrem Magen aufsteigen.
    »Ich kriege dich, du mieser Kerl«, schwor sie leise, obwohl sie nicht einmal sagen konnte, ob tatsächlich jemand an besagter Stelle gestanden hatte.
    Doch das würde sie herausfinden.
    So oder so.
     
    »Deine Mutter auf Leitung drei«, sagte Heather zu Kacey, als diese aus Behandlungsraum zwei trat, wo sie soeben den siebten Patienten mit grippalem Infekt untersucht hatte. »He, geht es dir gut?«
    Die Antwort lautete nein, denn die Wahrheit war, dass sie vergangene Nacht nicht mehr als zwanzig Minuten am Stück geschlafen hatte. Das Gefühl, jemand sei in ihrem Haus gewesen, hatte dazu geführt, dass sie jedes Mal, wenn auch nur ein Balken knarrte, der Wind heulte oder ein Zweig gegen ein Fenster schlug, aufgeschreckt war. Noch dazu hatten ihr Alpträume von dem Überfall zu schaffen gemacht, so dass sie mehrfach schweißgebadet aufgewacht war. Zweimal war sie nach unten gegangen und hatte nachgeschaut, ob auch wirklich sämtliche Türen und Fenster verriegelt waren; sie hatte sich sogar vergewissert, dass die Schrotflinte ihres Großvaters an Ort und Stelle hing: in der Bodenkammer unter dem Dachvorsprung, wohin man durch eine kleine Tür vom Flur vor ihrem Schlafzimmer gelangte.
    Als der Wecker um fünf Uhr morgens geklingelt hatte, hatte sie sich aus dem Bett zwingen müssen.
    Selbst die zwei Tassen Kaffee, die sie vor der Arbeit hinuntergestürzt hatte, hatten ihr nicht den gewünschten Schwung gegeben, so dass sie sich eher mühevoll durch den Tag schleppte. Durch einen höllischen Tag. Heather hatte sieben zusätzliche Patienten in ihren Terminplan eingeschoben, alle mit Grippesymptomen; eine alte Dame war so krank gewesen, dass Kacey sie direkt nach nebenan ins St. Bartholomew Hospital überwiesen hatte.
    Es ging zu wie im Irrenhaus: Das Wartezimmer quoll über, alle waren gereizt. Hinzu kam, dass die Computer für fast zwei Stunden abgestürzt waren und man ihren Kollegen Dr. Martin Cortez im Krankenhaus aufgehalten hatte.
    »Es geht mir gut. Ich bin nur müde«, schwindelte sie, denn ihr Magen war schon den ganzen Tag übersäuert. »Richte Mom doch bitte aus, dass ich sie zurückrufe.«
    Heather schnitt eine Grimasse. »Ich werd’s versuchen. ›Die Frau Doktor ist gerade bei den Patienten und wird Sie in ein paar Stunden zurückrufen‹, aber« – sie schüttelte energisch den Kopf – »das bringt doch nichts.«
    »Dann stell mir den Anruf eben durch«, sagte Kacey, die sich über das plötzliche Interesse ihrer Mutter wunderte. Sie hatten sich doch erst gestern Abend gesehen; oft sprachen sie ein, zwei Wochen nicht miteinander.
    In ihrem Büro angekommen, ließ sie sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen, drückte auf den Annahmeknopf der antiquierten Telefonanlage und sagte: »He, Mom! Fröhliches Shoppen!«
    »Als würde ich wie ganz Amerika die Einkaufszentren stürmen!«, drang es ohne eine Spur von Amüsement durch die Leitung. »Acacia, ich habe nachgedacht …«, erklärte sie, und Kacey musste sich auf die Zunge beißen, um keinen schnippischen Kommentar zur Denkweise ihrer Mutter abzugeben. Offenbar war Maribelle nicht zum Scherzen aufgelegt.
    »Worüber?«
    »Über unser Gespräch gestern Abend.«
    Kacey lehnte sich zurück und sah aus dem Fenster. Es fing wieder an zu schneien, eine weitere weiße Schicht legte sich auf die Sträucher

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