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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
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rund um die Poliklinik. »Und worüber genau?« Sie hätte wetten können, dass es nicht um den Commander ging und ausnahmsweise auch nicht um Kaceys Liebesleben. Offenbar hatte sie gestern Abend einen Nerv getroffen.
    »Nun, es gefällt mir gar nicht, dass du denkst, dein Vater könnte … du weißt schon … noch weitere Kinder gezeugt haben, und wenn nicht er, dann einer seiner Verwandten. Was für eine überaus absurde Vorstellung!« Ihre Stimme klang todernst. »Ich weiß, dass du aufgeregt bist wegen dieser toten Frauen, die dir angeblich ähnlich sehen, deshalb wollte ich mich vergewissern, dass es dir gutgeht.«
    Klartext: dass du nicht noch weiter nachfragst.
    »Danke, Mom, es geht mir gut.«
    »Dann ist also … alles wieder in Ordnung?«
    Keineswegs.
»So in Ordnung, wie es hier nur sein kann.«
    »Gut.« Ein hörbarer Seufzer. »Da bin ich aber froh.«
    Klartext: Da bin ich aber froh, dass du nicht weiter nachbohrst.
    Maribelle, die ihrer Tochter nicht wirklich zu glauben schien, diese aber auch nicht der Lüge bezichtigen wollte, fügte hinzu: »Es war fabelhaft, dich gestern Abend zu sehen. Ich mache mich gleich auf den Weg zum Dinner. Der Commander und ich haben eine Verabredung. Kannst du dir das vorstellen? In meinem Alter?«
    »Das ist doch großartig, Mom!«
    »Findest du wirklich?«
    »Absolut!« Das stimmte. Wenn Maribelle einen Mann fand, der sie glücklich machte – umso besser.
    »Ich auch. Dann werde ich mich mal beeilen und meine weibliche Rüstung anlegen!«
    Klartext: Make-up, figurformende Dessous.
    »Du schaffst das schon, Mom.«
    »Ich rufe bald wieder an.«
    »Gern.« Kacey legte auf und starrte aus dem Fenster. Sie fühlte sich leer. So viele Frauen hatten eine enge, liebevolle Beziehung zu ihren Müttern, warum, so fragte sie sich, war ausgerechnet die zu ihrer Mutter die meiste Zeit kühl und wenig herzlich? Sie waren wie Fremde, und das kam ihr nicht richtig vor. Nicht dass es keine schlimmeren, feindseligen, ja sogar gewalttätigen Mutter-Tochter-Beziehungen gab, doch dieses Wissen linderte nicht den Schmerz, der seit ihrer Kindheit in ihr schwelte. Keine Geschwister. Eine distanzierte Mutter. Ein Vater, der sich zwar kümmerte, aber zu beschäftigt war. Wären die Großeltern nicht gewesen …
    Abgestoßen von der Wendung, die ihre Gedanken nahmen, konzentrierte sie sich auf das Positive. Vielleicht war ein bisschen Abstand zu ihrer Mutter gar nicht so schlecht, dann konnte sie so viel in der Vergangenheit ihrer Familie herumwühlen, wie sie lustig war, und musste sich nicht den ganzen Unsinn wie »Du bringst den guten Namen unserer Familie in Verruf« oder »Du ziehst die Ehre deines Vaters in den Schmutz« anhören. »Es ist, wie es ist«, sagte sie laut und wunderte sich, wie mühelos sie ihre Mutter angelogen hatte. In Wahrheit hatte sie den Ball längst ins Rollen gebracht. Noch bevor heute Morgen der erste Patient hereinspaziert war, hatte sie E-Mails an die entsprechenden Ämter und Krankenhäuser geschickt. Sie wollte herausfinden, wie viele Frauen – bislang waren es ja nur Frauen –, etwa gleich alt wie sie und aus der Gegend von Helena, unter unglücklichen, wenn nicht gar verdächtigen Umständen ums Leben gekommen waren. Sie schaute auf das aktuelle Promi-Magazin, das sie beim Lebensmittelhändler mitgenommen hatte. Auf dem Cover war Shelly Bonaventure abgebildet. In dem dazugehörigen Artikel stieß sie auf den Namen des Beamten, der die Ermittlungen leitete, ein Jonas Hayes vom LAPD . Sobald sie einen Zusammenhang erkennen konnte – wenn denn tatsächlich einer bestand –, würde sie sich mit ihm in Verbindung setzen. Auch wenn Shelly Bonaventures Tod als Selbstmord eingestuft worden war.
    Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie voreilige Schlüsse zog; vielleicht hatte Shelly Bonaventure schlicht und einfach beschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen, und vielleicht hatte Jocelyn Wallis tatsächlich nur einen Fehltritt gemacht, der sie in die Klamm hinabbeförderte.
    Bislang hatte niemand auf ihre E-Mails geantwortet, und vermutlich war bis nach dem Thanksgiving-Wochenende auch nicht damit zu rechnen, wenn überhaupt.
    Kacey trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte und runzelte die Stirn. Sie wollte sich nicht nervös machen lassen, und sie hatte auch nicht vor, noch einmal eine Nacht wie die vorherige zu erleben. Sie brauchte ein Gefühl von Sicherheit, um sich entspannen und schlafen zu können. Sie blickte auf die Uhr an der

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