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Zwischen den Gezeiten

Zwischen den Gezeiten

Titel: Zwischen den Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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dritt verließen sie den Salon, gingen durch mehrere Räume, bald begegnete ihnen keiner von der Gesellschaft mehr.
    Inga hatte noch nie grüne Seide an einer Wand gesehen, das Zimmer, Sessel und Vorhänge, sogar der Teppich waren grün. Frau Kosigk prüfte die Getränke und schickte die Bedienung hinaus.
    Â»Leverton High also«, sagte der Brillenträger.
    Die Generalin hielt die Bank, sie tauschte englisches und deutsches Geld in Jetons, Hayden teilte an jeden zwei verdeckte Karten aus. Er bot dem Captain eine offene an, der schob sie an Gabor weiter. Die nächsten Karten wurden aus dem Stapel geholt, so ging es reihum. Obwohl ein Stuhl für sie reserviert war, setzte Inga sich hinter den Leutnant. Sie legte die Hand auf die Brust; ihr Herz schlug so heftig, daß der Stoff des Kleides zuckte.
    Der Captain attackierte mit König und As, alle außer dem Leutnant gaben auf, er setzte dagegen und verlor. Bei der nächsten Runde hielt er drei Herz gegen den Major, kaufte dazu und warf das Blatt wortlos hin. Nach einer halben Stunde griff er wieder zum Futteral, pointierte von nun an vorsichtiger, ging bei überreizten Partien nur mit, wenn er sich seines Blattes sicher war. Die Magie, die er am ersten Abend besessen hatte, als er den Spielverlauf antrieb und drosselte, wie es ihm beliebte, gelang diesmal nicht. Er reizte mit Pik, unterschätzte das Blatt des Flüsterers – dessen Hände zogen die Steine über den Tisch. Dem Leutnant entglitt jede Zuversicht, für Momente spürte Inga nackte Verzweiflung bei ihm. Er bat die Generalin um eine Zigarette. Zum dritten Mal öffnete er das Futteral und brachte Banknoten zum Vorschein. Gerade wollte Inga ihm zu verstehen geben, daß sie Reserven für ihn bereithielt, da breitete der Leutnant die Serviette über seine Jetons und stand auf.

    Â»Ist jemand dagegen, wenn ich pausiere?« Er zog die Manschetten aus der Uniformjacke und richtete die Krawatte.
    Â»Sie lassen uns ja Ihren Ersatzmann da.« Der Major putzte die Brille.
    Ohne Antwort verließ Hayden das Zimmer; Inga überlegte, ob es ihm recht war, daß sie ihn vertrat. Gabor deutete ihr Zögern falsch und schob einen Stapel Jetons auf ihre Seite. Die Geste machte Inga wütend, dabeizusein reizte sie nur bei vollem Risiko. Mit einem Griff klappte sie ihre Tasche auf und ließ Geldbündel auf den Tisch gleiten.
    Die Stille dauerte einige Sekunden.
    Â»Die Kleine denkt praktisch«, lachte der Brillenträger. »Statt die alte Mark zu verfeuern, gibt sie ihr noch eine Chance!«
    Â»Das Ganze? « fragte die Kosigk.
    Inga mochte den mütterlichen Ausdruck nicht, mit dem die Witwe des Generals sie musterte. Statt einer Antwort teilte sie das Kartenpaket und ließ es mit den Daumen ineinanderflirren; sie mischte, bis Frau Kosigk das Geld gezählt und die Jetons über den Tisch geschoben hatte. Tausendmal hatte Inga ausgeteilt, neugierig ihre Karten genommen, doch nie mit einem solchen Gefühl der Ernsthaftigkeit. Sie bekam Pik, die Königin mit dem arroganten Gesicht, die Kreuz-Dame gesellte sich dazu. Sie legte zwei Chips übereinander und schob sie in die Mitte. Ihr Einsatz wurde gehalten, die vierte Karte verteilt, kühl lächelte ihr die Karo-Dame entgegen. Inga ließ sich nichts anmerken, setzte bescheiden, man wollte ihr als Einsteigerin die Freude nicht nehmen, alle gingen mit. Der Major erhöhte, die Partie stand vor dem Aufdecken, da griff Inga zum Stapel und schob einen Zwanziger über den Tisch.
    Â»Aus Kiebitzen werden Spieler«, scherzte Gabor in der Muttersprache, glich die zwanzig aus und setzte weitere zehn.
    Â»Ihre zehn und fünfzig.« Inga richtete sich so heftig auf, daß Mariannes Kleid in den Nähten knackte.
    Der Flüsterer hatte nichts als ein As-Paar. Es juckte Inga, die Damen sofort umzudrehen – sie besann sich auf ihren Lehrer,
legte Pik neben Karo und ließ sich enttäuscht gegen die Lehne sinken.
    Â»Mit einem Damenpaar hättest du nicht hasardieren dürfen«, sagte die Generalin. Alle am Tisch beugten sich vor, um die nächste Runde zu beginnen.
    Â»Warum lächelt die Kreuz-Dame bloß nicht?« Inga hielt die Karte mit beiden Händen. »Wo sie die Hübscheste von allen ist.« Strahlend legte sie die schwarze Königin dazu. Gabors erhobene Hände, mit denen er schon nach den Steinen griff, senkten sich; die Überraschung war echt,

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