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Zwischen den Gezeiten

Zwischen den Gezeiten

Titel: Zwischen den Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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Parteiabzeichen.
    Â»Ich habe mich auf Fruitcake spezialisiert.« Hayden setzte sich. »Dundee Cake zum Beispiel wird mit Orangenmarmelade und Cognac gemacht. Aber echter französischer muß es sein.«

    Eriks Gesicht blieb verschlossen, doch seine Neugier als Koch war geweckt.
    Â»Florie Cake enthält Marzipan und Zitrusfrucht, Skeachan vor allem Ingwer und Bier.«
    Plötzlich kam das Gespräch in Gang. Inga staunte, daß ihr Vater englische Ausdrücke benützte, Marianne servierte Limonade. Hayden erzählte von der Kuchenbäckerei seiner Familie in North Berwick, nahe der Grenze liefen die Geschäfte besonders gut. Welche Grenze, wollte die Mutter wissen. »Zwischen Schottland und England«, antwortete er und erkundigte sich, in welchem Rang Erik gedient habe. Der Vater erzählte von seinen schwachen Augen, die Goldfasan  – Vergangenheit kam nicht zur Sprache.
    Â»Ich habe noch nicht begriffen, zu welcher Art Veranstaltung Sie unsere Tochter mitnehmen wollen?« fragte er.
    Â»Wir sind im Haus von General Kosigk eingeladen«, antwortete der Leutnant und sah Inga an. Die Erwähnung des stadtbekannten Namens änderte alles. Aufgeräumt erzählte Erik, wieviel die Witwe des Generals für die Stadt tue. »Neuerdings übt sogar der Frauenchor in ihrem Haus.«
    Â»Ihr Mann wurde hingerichtet«, sagte Marianne. Auf Haydens Schweigen setzte sie hinzu: »In den letzten Kriegstagen.«
    Nach einer Stunde stand der Leutnant auf, klemmte die Krücke unter die Achsel, an der Tür schüttelten er und der Vater einander die Hand, Hayden verriet ihm das Rezept einer Tortenglasur.
    Â»Viel Vergnügen im Kosigk-Palais«, sagte Marianne. »Leider ist es zur Hälfte zerbombt.«
    Â»Föhrden wurde nie angegriffen«, erwiderte der Leutnant.
    Â»Auf dem Rückflug haben britische Bomber überzählige Last abgeworfen.« Bedauernd hob sie die Schultern.
    Im Augenblick war die alte Stimmung wieder da, die Männer schwiegen. Marianne bemerkte, daß Inga die Treppe hochgelaufen war. Unauffällig hatte sie Mutters große Handtasche geholt und die Hälfte des Geldes darin verstaut.
    Â»Die paßt nicht zum Kleid!« rief Marianne.

    Tochter und Leutnant waren schon auf dem Weg zum Gartentor. Die Seide glänzte im Schein des Halbmonds, das Kleid schleifte tatsächlich nach, Inga versuchte der Schleppe durch ihren Gang gerecht zu werden. Die Mutter hatte ihr die blauen Ohrringe geliehen, durch ein Kopfschütteln ließ sie die Steine glitzern.

11
    E ine Gardenie rechts vom Platz der Herren, ein Veilchenstrauß bei den Damen. Das Porzellan stammte von der Berliner Manufaktur, vor den Tellern drängte sich eine Sammlung verschiedener Gläser, Silberwerkzeug rechts und links. Als Mädchen hatte Inga bei Tisch Eriks Aufgaben zu erfüllen gehabt, sein Sittenunterricht war die einzige Erziehung gewesen, die sie je von ihm erhalten hatte. Während sie Platz nahm, stellte sich das Gefühl von damals ein, Vaters Lineal im Rücken, die Bücher unter den Achseln, beim Essen durften sie weder rutschen noch fallen. Wann öffnete man die Serviette, welches war das erste benützte Glas, wie wurden Messer und Gabel gehalten; Erik hatte es bis zum Überdruß mit ihr geübt.
    Die Gastgeberin trug ein bodenlanges, dunkelrotes Kleid mit Seidenvolant um den Busen, der Rücken war ausgeschnitten, ihre Haarfarbe kam Inga heute noch heller vor als in jener Nacht im Camp. Zur Begrüßung hatte Marion Kosigk ihr kurz die Hand gedrückt, nun thronte sie am Kopf der Tafel und plauderte mit dem Brillenträger. Auch der Leutnant hatte einen Platz nahe der Generalin, Inga war enttäuscht, so weit unten zu sitzen.
    Die Gruppe aus der Fliegerbaracke war vollzählig, der Brillenträger trug die Majorsmontur mit allen erdenklichen Auszeichnungen, zwischen den Brusttaschen baumelte ein goldenes Kettchen. Im dunkelblauen Nadelstreif, das Haar glänzend von Brillantine, saß der Flüsterer neben einer üppigen Deutschen; glaubte er sich unbeobachtet, senkte er den Blick in ihren Ausschnitt. Der mit
dem Bärtchen war Offizier im Rang eines Captains, die Uniform gab ihm eine Lässigkeit, die er beim Spiel nicht besaß. Die Unterhaltung wurde auf Englisch geführt, der Captain sprach mit der Dame zur Linken über die Wirtschaftsreform in den Zonen.
    Inga rückte die Dessertgabel zurecht. Ihr Kleid

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