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Zwischen den Gezeiten

Zwischen den Gezeiten

Titel: Zwischen den Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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sie die Tasche zwischen den Stauden hervor, pflückte eine Tomate vom Strauch, biß hinein, ließ den Saft ins Gras tropfen.
    Alle Verbindungen führten zum Haus der Generalin. Sie war die Spinne, in ihrem Netz saßen die Nerze, Gabor, selbst die Briten.
»Himmel oder Hölle«, flüsterte Inga und beschloß, das Geld zu vermehren. Spieler wittern einander. Lachend verbarg sie die Tasche unter der Achsel und betrat das Haus. Es roch nach gebratenem Bärlauch.

27
    S ie fand August inmitten des lehmigen Vierecks, wo die Pferde jeden Grashalm gefressen oder zertrampelt hatten. Am Zügel führte er den Wallach im Kreis, hielt mehrmals, prüfte dessen Gehorsam, gab ihm Raum und begann zu laufen, als der Graue in Trab fiel. Mann und Pferd wurden vom Licht entzweigeschnitten – halb noch im Schatten, halb erfaßt von der rosa Ankündigung des Tages. August mußte Inga bemerkt haben, doch seine Aufmerksamkeit gehörte dem Tier. Sie kletterte auf das Gatter und sah der Unterrichtsstunde zu. Behutsam, lauschend setzte das Pferd die Hufe, im verlangsamten Schritt ging es in die Runde, bis die beiden vor Inga hielten.
    Â»Zur Zeit bockt er.« August hob das Auge. »Als ob er sich an seine Tage als Hengst erinnert.«
    Â»Die Hitze vielleicht.« Sie klemmte den Rock zwischen die Beine.
    Â»Es wird noch heißer.« Gemeinsam schauten sie in die Sonne, die wie eine Bedrohung über der Stadt erschien. Inga sprang zu Boden, der Wallach setzte erschrocken zurück.
    Â»Und die Geschäfte?«
    Â»Im Moment geht wenig.« Schweiß geriet ihm ins Auge, er kniff es zu. »Alles wartet ab.«
    Neben dem Gatter stellte sie die Tasche zu Boden und hielt ihm das in Zeitungspapier gewickelte Geld hin. »Zähl es. Samt Zinsen.«
    Als sei es ein Betrübnis, betrachtete er die Banknoten. »Woher
weißt du es?« fragte er, übergab Inga den Zügel und zählte. »Reden sie im Lager darüber?«
    Mißtrauisch nahm das Auge sie ins Visier, Ingas fragender Blick stimmte ihn um, er umschloß die Reichsmark mit der Zeitung.
    Â»Also gut. Holen wir deine Madonna.«
    Â»Behalte sie.« Sie lief ihm nach. »Gib das Geld Marianne. Sag, du hättest die Statue verkauft.«
    Er löste den Lederriemen vom Pfosten und ließ sie hinaus, bevor der Wallach näher trabte. Schweigend nahm er dem Pferd das Zaumzeug ab, stülpte ihm den Stirnriemen über, gab dem Grauen einen Klaps und schloß das Gatter. Sie gingen über den Hof. Inga spürte, das war noch nicht alles.
    Â»Eure Madonna ist mehr wert«, sagte der Pferdedoktor.
    Â»Dann gib Marianne eben mehr.« Zusammen erreichten sie den Schatten des Vordaches.
    Â»Wann braucht ihr es?«
    Â»Bis zum zwanzigsten.«
    Das Datum amüsierte ihn. »Ausgerechnet zum zwanzigsten?«
    Er lachte, daß die Narbe des zugenähten Auges zuckte, schob das Geldbündel unter den Arm und gab Inga die Hand. »Grüß Marianne von mir, sie kriegt ihr Geld.« Er verschwand im Büro.
    Sie schlenderte zum Ausgang und überlegte den kürzesten Weg zum Kosigk-Palais.
    Â 
    Inga passierte die Einfahrt und ließ sich anmelden. Man zögerte, bat sie jedoch weiter, forderte sie auf sich zu setzen. Inga schlenderte durch einen Saal, von dem aus Türen in alle Richtungen führten. Sie genoß den hohen Raum, die Kühle der Wände, doch mit jeder verstreichenden Minute schwand ihre Zuversicht. Marion Kosigk ließ sie lange warten.
    Â»Schickt Alec dich?« Im Bademantel trat sie ein, ein halbvolles Glas in der Hand; weder Überraschung noch Begrüßung. »Wann wird er entlassen?« Die Generalin suchte einen Platz, um das Glas abzustellen.

    Â»Er weiß nicht, daß ich hier bin«, antwortete Inga so zögernd, daß die andere bereits die Tür ins Freie aufstieß.Inga bemerkte Männerschlafanzughosen unter dem Mantel und ausgetretene Pantoffeln.
    Â»Es geht ihm besser.« Zögernd folgte sie der Hausherrin auf die Terrasse. Die lehnte sich an die Balustrade, der kleine Finger trommelte auf den polierten Marmor.
    Â»Scheußlicher Unfall. Er ist vom Pech verfolgt.«
    Inga fragte sich, wieso die Kosigk davon ausging, sie wisse über die Zusammenhänge nicht Bescheid. Wie konnte die Generalin mit dem Leutnant befreundet sein und gleichzeitig zulassen, daß man ihn mißhandelte? Hatte sie selbst den Auftrag gegeben, ihn vom Wehr herab in

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