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Zwischen den Gezeiten

Zwischen den Gezeiten

Titel: Zwischen den Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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irritieren. Dennoch entfernte sie sich von ihrem Arbeitsplatz, eine Föhre weit, noch eine, die Tankstelle tauchte auf.
    Der Flieger begrüßte sie, Inga fragte, ob Flugzeuge erwartet würden – noch diese Woche –, sie wollte wissen, was abtransportiert werde – diesmal würde etwas gebracht. Ein Wagen der Militärpolizei tauchte auf, das ungleichmäßige Motorgeräusch auf der holperigen Piste, der Fliegersoldat nahm das Vorhängeschloß von der Zapfsäule und warf das Aggregat für Dieselsprit an. Der Fahrer blieb sitzen, der zweite sprang ab und öffnete den Tankdeckel. Als Inga weiterging, wurde gehupt, zufällig oder um sie zu erschrecken, sie drehte sich nicht um.
    Auf dem Vorplatz des Casinos sah sie den Kommandanten auftauchen, er hielt Jasper an der Leine, morgens gebärdete sich der betagte Hund wie ein Junger, sprang jeden an, der ihm begegnete. Sie malte sich aus, wie der Chef feststellte, daß er der Erste war, der Kessel noch kalt, der Geruch vom Vortag im Zimmer, er würde auf die Plattform treten und nach ihr Ausschau halten. Bestimmt ließ er zwanzig Minuten verstreichen, bevor er die Wache anrief
und sich erkundigte, ob die Civilian Employee die Schranke passiert habe.
    Die Dienstbaracke verschwand zwischen den Bäumen. Längs der Waldgrenze entfernte sich Inga, tauchte ins Unterholz ein, die Morgensonne, wohltuend harmlos, folgte ihr, hinter jedem Baum blitzte sie hervor. Noch nie war sie tagsüber zu der verlassenen Baracke gegangen, sie zögerte vor dem ersten Schritt aus dem Dikkicht. Vom Gestrüpp fast verdeckt, fielen ihr Wagenspuren auf, unmöglich stammten sie von Gabors Auto, Regen und Wind hätten sie längst verwischt.
    Inga näherte sich der Wetterstation von der Fensterseite, ein Blick zum Lager, Gestalten zwischen den Bäumen, die Ruhe eines Feriendorfes. Sie umkreiste das Haus und trat breitbeinig vor die Tür. Der Bolzen hing in der letzten Kante, sie ergriff den Knauf mit beiden Händen und zog; schon beim zweiten Versuch gab das Schloß nach. Inga taumelte rückwärts, bemerkte, wie im Inneren etwas Winziges in die Ecke huschte, auch ein Weberknecht floh den Türstock hinauf; das Spinnennetz im Fensterkreuz bewegte sich im Luftzug. Sie ging hinein, als ob sie einen Traum betrat.
    Wie hell Onkels Tischtuch geworden war, gleichmäßig hatte sich die Staubschicht darüber gelegt, auch auf der Bastlampe flirrte ein grauer Pelz. Im Regal standen die Ginflasche und der blaue Siphon, Inga rückte eins der metereologischen Geräte beiseite, überlegte einen Moment und schob die Tasche mit entschlossenem Ruck dahinter. Sie trat zurück – von dem rötlichen Leder war nichts mehr zu sehen. Ein Jeton lag noch auf dem Tisch; er hinterließ einen staubfreien kreisrunden Fleck, sie schloß die Finger darum, Glücksbringer, dachte sie und steckte ihn ein. Während sie die Tür von außen zudrückte und einen Stein davor legte, freute sie sich auf die Zurechtweisung des Commanders. Er würde sie maßregeln, ohne von ihrer wahren Schuld etwas zu ahnen. Unterwegs nahm Ingas Heiterkeit mit jedem Schritt zu.
    Unverzüglich wäre sie ins Büro gegangen, hätte der Wagen der Militärpolizei nicht davor geparkt. Dem Commander war die Miliz
ein Dorn im Auge, er fand deren sture Handhabung des Reglements unbritisch. In diesem Moment hineinzuplatzen, schien Inga unklug, sie entschied, erst in Station H vorbeizuschauen.
    Der Leutnant lag nicht im Bett, trug keine Krankenmontur, sondern Hemd und Uniformhose. Ein weiterer Verband war entfernt worden, sein Gesicht kehrte allmählich wieder, Inga entdeckte eine graue Insel am unrasierten Kinn.
    Â»Hast du das Geld zurückgebracht?« fragte er, kaum daß sie eintrat.
    Â»Beinahe.«
    Â»Was heißt das?«
    Â»Es ist im Lager.« Sie ließ sich nichts von der Fröhlichkeit nehmen.
    Â»In deinem Spind finden sie es.«
    Â»Nicht im Spind.« Sie hielt vor der Tür, wo die Sonne ihr ins Gesicht schien. »Es ist Spielgeld«, lächelte Inga, um ihm das Rätsel schmackhaft zu machen. Er sah sie verwundert an, langsam ging sein Kopf Richtung Rollfeld, hinaus auf die Piste aus geborstenem Beton.
    Â»Vielleicht sehen wir uns erst wieder, wenn wir ganz alt sind.« Fünf lange Schritte, bis sie bei ihm war und ihn umarmte. Sein Herz schlug, als ob er schliefe. Plötzlich bewegte sich seine

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