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Zwischen den Gezeiten

Zwischen den Gezeiten

Titel: Zwischen den Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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erfahren. Im Laufen hatten sie Übung, wer einer Schwarzmarkt-Razzia entgehen wollte, mußte imstande sein, Haken zu schlagen. Wie würde der verbotene Markt mit dem neuen Geld umgehen, fragte sich Inga und bemerkte, wie der Strom sie mitriß, auch sie fiel in Laufschritt – war das Rautjesviertel nicht deshalb entstanden, weil die alte Währung nichts wert war?
    Zum Schloß, zu den Antworten!
    Â»Wenn ich Anzugstoff kriege für Papa«, sagte eine Hinkende, »näht er sich alles selbst.«

    Inga dachte, ob sie erst heim sollte, dem Vaterberichten? Doch für ihn machte das Geschehen keinen Unterschied, die aufgeschreckte Stadt hatte nichts mit der Veränderung zu tun, die ihn betraf. Unausgesetztes Knallen; hinter ihr kam ein Holzgasauto heran, die Insassen hielten den Blick starr nach vorne gerichtet, wollten dem Fußvolk voraus sein. An der Ecke bemerkte sie den ehemaligen Bürgermeister, den Guten, wie er immer noch hieß, die Engländer hatten das Parteimitglied abgesetzt – dort stand er mit seinem roten Nachfolger, im Gleischschritt überquerten sie die Straße.
    Als Inga um das steinerne Tor bog, war die Krokuswiese so voller Menschen, wie sie es seit Mädchentagen nicht mehr gesehen hatte. Vor den Mauern des Schlosses hielt eine britische Wachkompanie die Menschen vom Eingang fern, an den Flanken verstärkt durch deutsche Polizei; nachlässig erfüllten die Schutzleute ihre Pflicht, der Gummiknüppel blieb im Halfter.
    Was ist mit den Renten! Eine Frauengruppe, zum Chor zusammengetan, schrie ihre dringendste Sorge heraus.
    Â»Meine Lebensversicherung zahlen sie bestimmt aus«, sagte einer beschwörend. »Wozu hat man all die Jahre – ?« Englische Rufe vom Schloß, es war keine Verlautbarung, nur die Warnung eines Soldaten.
    Â»Ich habe ein Haus«, antwortete ein Dürrer und erhielt von dem mit der Lebensversicherung einen bewundernden Blick – nichts ging über Grund und Boden.
    Eine britische Stimme klang trompetenhell über den Platz, Erklärungen morgen, sämtliche Fragen würden am Sonntag beantwortet werden. An der Hasselwiese! Beethovenpfad! Werneckstraße! – Verfremdet durch den Akzent erklangen Straßennamen, wo die Wechselstuben eingerichtet würden; danach fiel das Tor zum Schloß zu.
    Wie auf dem Rummel, wo die Menschen noch blieben, nachdem die Buden geschlossen hatten, hielt es alle auf der Krokuswiese – ohne Ziel mischte sich Inga darunter. Mein Glück, daß ich die Geige nicht ausgeliefert habe, lachte einer. Fünf Tonnen Nägel, kopfschüttelndes
Unverständnis des Herren im Zweireiher. Gerade hatte ich das Geld für die Betriebserlaubnis zusammen . – Nein, per Flugzeug, widersprach eine Gattin dem Gatten.
    Auf der Treppenbalustrade saßen zwei alte Herren dicht nebeneinander. Wie sie zu den Stadtlöwen hinaufgelangt waren, blieb ihr Geheimnis, versonnen, als schauten sie übers Meer, beschäftigten sie sich mit dem Treiben zu ihren Füßen.
    Â»Klug sind die Amerikaner ja«, sagte der eine.
    Â»Eine Sklavennation nützt ihnen nichts«, nickte der andere.
    Â»Damit machen sie das Geschäft ihres Lebens.«
    Â»Jetzt, wo wir es wieder können, werden wir bezahlen .«
    Â»Bei Gott, das werden wir«, vollendete der erste und überschlug die Beine. Von unten konnte Inga die faustgroßen Löcher in seinen Schuhen sehen.
    Die Uniform, der vertraute Gang, wenige Schritte entfernt ging ihr Commander vorbei. Mißmutig schlug er die Arme auf den Rücken, ärgerte sich, keinen anderen Weg gewählt zu haben, nun mußte er durch die Menge der Aufgeregten – keiner sprach ihn an, ihren Blicken aber entging er nicht. Er steuerte auf den seitlichen Eingang zu, Inga hatte die Tür Sekunden vor ihm erreicht.
    Â»Sir! Meine Freilassung!« rief sie.
    Einer Frage gleich hob der Wachsoldat das Gewehr, der Kommandant winkte ab. Verwundert nannte er Ingas Namen. »Ihre Mutter ist, höre ich, gestorben?«
    Sie war gerührt. Der Engländer mit dem Segelschiff, der ihr stets nüchterne Briefe diktierte, ihn beschäftigte ein Ereignis in Ingas Familie?
    Â»Bis jetzt hat mir niemand gesagt, warum ich entlassen wurde – Sir.«
    Er wollte nicht Rede und Antwort stehen. »Das Geld hat sich gefunden«, tat er es dennoch und verschränkte die Arme.
    Â»Gefunden?« Wer hatte daran gedacht, die

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