Zwischen den Sternen
gründen. Dann hat das Ministerium für Kolonisation endlich seinem Antrag zugestimmt - und hat nicht ihm, sondern deinen Eltern die Leitung der neuen Kolonie übertragen. Sie haben meinem Vater erklärt, es sei ein politischer Kompromiss.«
»Was hat dein Vater dazu gesagt?«, wollte ich wissen.
»Nun ja, wir haben uns gerade erst kennengelernt«, erwiderte
Gretchen. »Ich weiß noch nicht, wie offen ich zu dir sein kann.«
»Oh, das klingt ziemlich schlimm.«
»Ich glaube nicht, dass er deine Eltern hasst«, sagte Gretchen eilig. »Das nicht. Er ist nur davon ausgegangen, dass er nach allem, was er getan hat, die Leitung der Kolonie bekommt. ›Enttäuschung‹ dürfte ein zu schwacher Ausdruck sein. Obwohl ich auch nicht behaupten würde, dass er deine Eltern mag. Er hat sich ihre Personalakte besorgt, als sie ernannt wurden, und die ganze Zeit vor sich hin gemurmelt, während er sie gelesen hat.«
»Es tut mir leid, dass er enttäuscht ist.« Ich überlegte schon, ob ich Gretchen als mögliche Freundin abhaken konnte - die übliche »Unsere Familien führen Krieg gegeneinander«-Geschichte. Da lernte ich die erste Person in meinem Alter kennen, die auch nach Roanoke ging, und schon fanden wir uns in unterschiedlichen Lagern wieder.
Doch dann sagte sie: »Aber irgendwann hat er es damit etwas übertrieben. Er hat sich sogar mit Moses verglichen, nach dem Motto: Ich war es, der mein Volk ins gelobte Land führte, und jetzt darf ich selber nicht mehr dabei sein! « Ihre Gesten unterstrichen, wie ihr Vater diesen Satz gemeint hatte. »Da wurde mir klar, dass er überreagiert. Denn schließlich werden wir dabei sein. Und er gehört sogar zum Beraterstab deiner Eltern. Also sagte ich ihm, dass er gefälligst die Klappe halten soll.«
Ich blinzelte. »Das hast du wirklich zu ihm gesagt?«
»Nicht direkt«, antwortete Gretchen. »In Wirklichkeit habe ich laut überlegt, ob ein Welpe, dem ich einen Fußtritt verpasse, wohl mehr rumjammern würde als er.« Sie zuckte mit
den Schultern. »Was soll ich sagen? Manchmal sollte er sich einfach zusammenreißen.«
»Ich glaube, wir beide könnten die besten Freundinnen werden«, sagte ich.
»Meinst du?«, fragte sie und sah mich grinsend an. »Ich weiß nicht. Wie sind die Arbeitszeiten?«
»Sehr ungünstig«, sagte ich. »Und die Bezahlung ist auch ziemlich beschissen.«
»Kann ich wenigstens ein Dankeschön für meine Arbeit erwarten?«
»Natürlich nicht. Du wirst dich jeden Abend verzweifelt in den Schlaf heulen.«
»Bekomme ich wenigstens trockenes Brot?« »Wo denkst du hin? Das trockene Brot wird schon an die Hunde verfüttert.«
»Wunderbar«, sagte sie. »Okay, du hast bestanden. Wir könnten wirklich die besten Freundinnen werden.«
»Gut«, sagte ich. »Wieder eine Entscheidung fürs Leben, die wir hinter uns gebracht hätten.«
»Ja.« Sie löste sich vom Geländer auf dem Observationsdeck. »Jetzt komm. Es bringt nichts, wenn wir uns gegenseitig fertigmachen. Suchen wir uns lieber jemanden, auf den wir mit dem Finger zeigen und über den wir uns schlapplachen können.«
Danach kam mir die Phoenix-Station schon viel interessanter vor.
7
Als mein Vater mit mir nach Phoenix flog, besuchten wir mein Grab.
Ich glaube, das muss ich genauer erklären.
Ich wurde auf Phoenix geboren und verbrachte dort die ersten vier Jahre meines Lebens. In der Nähe unserer Wohnung gibt es einen Friedhof, und auf diesem Friedhof steht ein Grabstein mit drei Namen drauf: Cheryl Boutin, Charles Boutin und Zoë Boutin.
Der Name meiner Mutter steht dort, weil sie tatsächlich dort begraben ist. Ich erinnere mich noch an ihre Beerdigung und wie sie in ihrem Leichentuch in die Grube gelegt wurde.
Der Name meines Vaters steht dort, weil man viele Jahre lang glaubte, auch seine Leiche wäre dort bestattet. Aber das stimmt nicht. Er fand seine letzte Ruhestätte auf einem Planeten namens Arist, wo wir beide eine Zeit lang unter den Obin lebten. Aber auf Phoenix ist tatsächlich eine Leiche beerdigt, die wie mein Vater aussah und die gleichen Gene hatte wie er. Wie sie dorthin gelangt ist, ist eine ziemlich komplizierte Geschichte.
Mein Name steht dort, weil mein Vater vor unserer Zeit auf Arist eine Zeit lang dachte, ich wäre beim Angriff auf Covell ums Leben gekommen, der Raumstation, in der wir beide gelebt hatten. Von mir gibt es allerdings keine Leiche, weil ich ja noch lebe. Aber mein Vater wusste es zu diesem Zeitpunkt nicht. Er ließ meinen Namen und meine Daten
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