Zwischen den Zeilen
Ben.«
»Er schon«, entfährt es mir. Und vor allen Dingen denkt er, dass ich es bin.
»Oh, er ist ein bisschen dünn für perfekt, oder?« Daniel lacht. »Und dieses Ding da in seiner Lippe…«
»Ich find's süß«, widerspreche ich. »Außerdem ist er nicht zu dünn.«
»Und er raucht…«
»Stört mich nicht«, sage ich und muss mich anstrengen, das Bild in meinem Kopf wegzuwischen. Josh, wie er verlegen lächelnd an seiner Zigarette zieht. Ich würd sterben dafür, grade. Für den Geruch seiner Haut, sein Gesicht vor meinem, seine Augen, seine langen Mädchenwimpern und seinem hingehauchten »Gott, war das gut«. Sein Gerede… Über irgendwas in der unpassendsten Situation… seine Finger, seinen Zeigefinger, der länger als sein Ringfinger ist, auf meiner Haut…
»Schreibst du ihm?«, bitte ich Daniel noch einmal.
»Ich denke nicht«, sagt er.
»Was?« Ich bin nicht sicher, ob ich richtig gehört habe. Aber mein Handy liegt immer noch vor mir auf dem Tisch und er macht keine Anstalten, es zu nehmen.
»Rede mit ihm.« Daniels Stimme ist ruhig.
»Du… hilfst mir nicht? Das kannst du nicht machen. Ich meine, ich liebe ihn und wenn ich, dann… Er…«
»Doch, kann ich. Ich kann nicht immer dein Leben leben. Weißt du Ben, ich hatte dir alle Kurse rausgesucht, weil du mich drum gebeten hattest. Und du hast nicht einmal danach gefragt.« Enttäuschung klingt in seiner Stimme.
»Ich… Sorry, ich hab's vergessen«, murmle ich betreten.
»Sag ihm, was los ist«, wiederholt Daniel ernst.
»Ich versuch's«, erwidere ich ausweichend. Aber ich weiß, dass ich lüge. Ich werd's nicht versuchen. Weil ich ihn liebe... Weil ich will, dass er mich liebt. Und weil ich's nicht ertragen würde, wenn er's nicht mehr tut, weil er die Wahrheit kennt. Denn diese Wahrheit ist vor jemandem, von dem man geliebt werden will, definitiv keine Option.
Die Schönen und die Guten
Josh
»Milla?« Ein bisschen härter als beabsichtigt trifft mein Kinn die Platte des Küchentischs.
»Hm?« Meine Mitbewohnerin rückt auf ihrem Stuhl hin und her. Ihr Knie teilt ihren billigen Morgenmantel von Primark . Sie sollte echt aufpassen mit ihrer Zigarette. Eine falsche Bewegung und sie steht in Flammen. Wie mein Herz… oder so…
»Wieso können die Schönen nicht einfach mal die Guten sein?«, nuschle ich ein bisschen weinerlich. Meine Zähne klappen nach jedem Wort zusammen, weil meine Kinnlade vom Tisch gebremst wird. Ich glaube, ich sollte nicht mehr so viel trinken. Aber die Flasche, die zwischen uns steht, ist sowieso fast leer. Und wenn ich jetzt noch ein Glas nehme, dann kann ich vielleicht wenigstens schlafen.
»Keine Ahnung, Schätzchen.« Milla streckt ihren Arm über den Tisch und zerwühlt mein Haar, seufzt dabei theatralisch und schnippt ein bisschen Asche von ihrer Zigarette.
»Scheiße«, murmle ich, greife ein wenig unpräzise nach der Flasche und ziehe sie schwerfällig zu mir. Ich hebe eine Augenbraue und fixiere den Rand meines Glases, um nichts zu verschütten. Gelingt mir nicht, aber scheißegal. Ich hab Liebeskummer. Ben ist so ein dämlicher Scheißkerl!
»Und er ist einfach so abgehauen?«, hakt Milla nach, als ich mich aufrapple, den Rest des Rotweins auf ex kippe und das Glas dann geräuschvoll zurück auf die Platte stelle.
»Will nicht drüber reden!«, sage ich und nehme mir eine neue Zigarette. Keine Ahnung, die wievielte das ist.
»Jedenfalls braucht er gar nicht zu glauben, dass er hier noch mal ankriechen kann«, sage ich in resolutem Ton. »Und wenn er sich meldet, dann geh ich einfach nicht ans Telefon.«
Zur Sicherheit schiele ich kurz und natürlich möglichst unauffällig in Richtung meines Handys. Nur um den Triumph, dass ich total fertig mit ihm bin und nicht reagiere, völlig auszukosten. Aber dummerweise hat er sich nicht gemeldet. Und irgendetwas sagt mir, dass er das wohl auch nicht mehr tun wird.
Willkommen zurück, Janosch Köhler, in der Welt der ewig suchenden Singles. Womöglich sollte ich mich mal mit der Realität anfreunden und einfach schreckliche Typen wie Arno daten. Vielleicht sind die dann, so hart es ist, wenigstens meine Liga und mir bleiben solche Nummern wie Bens vorhin in Zukunft erspart. Zum Glück konnte ich das Schlimmste verhindern. Ich hoffe, niemand hat bemerkt, dass wir eigentlich gar nicht wirklich zusammen gegangen sind.
Nachdem er einfach abgehauen ist, bin ich noch mal kurz zurück in die Küche, hab irgendwas von Notfall gemurmelt und
Weitere Kostenlose Bücher