Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
gegeben, was er empfand und was er dachte.
Wo und mit wem sie diese Nacht verbrachte, wusste er nicht. Bei dem Kollegen in Älvsjö war sie jedenfalls nicht, denn der hatte sich vor einem halben Jahr erhängt, und Wiijnbladh war danach das auserlesene Vergnügen zuteil geworden, ihn von dem Rohr in der Decke der Waschküche abzuschneiden, an dem er das Seil befestigt hatte. Es war eine schwere Pflicht gewesen, sogar für die gestählten Ermittler der Spurensicherung. Aber sie musste sein, und Wiijnbladh hatte sich freiwillig gemeldet.
*
Wie kann etwas, das so schön angefangen hat, ein solch übles Ende nehmen?, dachte Bäckström und glotzte betrunken in das Bierglas, das er am Tresen an sich gerissen hatte, während der rechtmäßige Besitzer das Tanzbein schwang. Er hatte ein bestimmtes Lokal unten in der Kungsgatan aufgesucht, in dem vor allem Kollegen und dazu einige Feuerwehrmänner, Wachleute und Krankenwagenfahrer verkehrten. Außerdem jede Menge Krankenschwestern, und für einen erfahrenen Kämpen wie ihn war die Konkurrenz wirklich nicht übermächtig.
Und es hatte auch alles perfekt begonnen. Er war mit einem jüngeren Kollegen aus Farsta ins Gespräch gekommen, der um jeden Preis zur Stockholmer Kripo versetzt werden wollte und sich einbildete, Bäckström könnte das in die Wege leiten. Zwei winzige Bier hatte der Geizkragen ihm ausgegeben, und da konnte er die Versetzung gleich vergessen. Dann hatte er eine fette Finnin getroffen, über die er im Sommer schon einmal drüber gestiegen war. Sie arbeitete als Nachttopfleererin im Sabbatsberger Krankenhaus und hauste in einer miesen Dreizimmerwohnung weit draußen in der Hölle der südlichen Vororte. Allein stehende Mutter natürlich, er hörte noch immer, wie die Legosteine unter seinen Fußsohlen zerbrachen, als er sich morgens von ihr weggestohlen hatte. Zu allem Überfluss hatte sie offenbar ein schlechtes Gedächtnis, denn trotz dieses Besuchs hatte er ihr einen Hunderter abzupfen können. Und sie hatte ihm einen sanften Kuss auf die Wange gesetzt, aber jetzt war auch sie verschwunden. Unklar wohin, und in dem fast leeren Lokal hielt sich jetzt nur noch ein Haufen Besoffener auf, dazu eine weggetretene Alte, die in einer Sofaecke eingeschlafen war.
Was für eine Scheißgesellschaft, was für Scheißmenschen und was für ein Scheißleben, das sie leben, dachte Bäckström. Da kann man nur auf einen richtig heftigen Mord hoffen, damit man endlich mal wieder richtig was zu tun kriegt.
Samstag, 23. November
Kriminalinspektor Bo Jarnebring von der Stockholmer Zentralen Ermittlungsstelle war keiner, der samstags arbeitete, wenn er es sich aussuchen konnte, aber seit vierzehn Tagen waren seine entsprechenden Entscheidungsmöglichkeiten gewaltig geschrumpft. Damals hatte er nämlich seinen neuen Job als Hauptkommissar und Chef der lokalen Kripo in Östermalm angetreten. Es war zwar nur ein Vertretungseinsatz, der hoffentlich nicht allzu lange dauern würde, aber alle in seiner Umgebung waren hochgradig überrascht gewesen. Jarnebring galt allgemein als das genaue Gegenteil eines Karrieremenschen, er fauchte immer nach oben und ließ sich selten eine Gelegenheit entgehen, um Chefs und Halbchefs die Leviten zu lesen. Außerdem war seine Arbeit als Ermittler vielleicht der wichtigste Teil seiner Identität. Er arbeitete seit über fünfzehn Jahren bei der Zentralen Ermittlungsstelle und verfügte über die niemals ins Wanken geratene Überzeugung, dass es, was sein Leben als Polizist anging, keine bessere Art zu leben und zu sterben geben könne.
Einen Monat zuvor waren er und etliche Kollegen aus der ermittelnden Tätigkeit mit der Fähre zu einem Kongress nach Helsinki gefahren. Diese Kongresse wurden schon seit langem abgehalten und galten als fester und notwendiger Bestandteil der Planungsarbeit, die selbst bei der so genannten Ermittlungsarbeit vonnöten war. Egal, wie es um den von Natur aus ungeregelten und bisweilen impressionistischen Charakter dieser Tätigkeit auch bestellt sein mochte.
Es war so lustig wie immer gewesen. Allerlei bekannte Gesichter und Typen, auf die Verlass war. Vormittags hatte man sich über alte und neue Verbrecher verbreitet, hatte die üblichen Heldengeschichten erzählt und danach die Besprechungen zu einem großzügigen Mittagessen unterbrochen, worauf natürlich bei der Festlegung des Nachmittagsprogramms Rücksicht genommen worden war. Unter anderem war der Leiter der Kripo von Östermalm gebeten
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