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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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»Und was habt ihr in der Zwischenzeit gemacht?«
    »Wir positionierten unser Fahrzeug etwa hundert Meter weiter in der Sturegatan«, sagte Göransson und schaute wieder zu Martinsson hinüber. »Das war nach unserer Einschätzung die beste Position.«
    »Klar«, stimmte Waltin zu. »Bist du gefahren, Martinsson?«
    Martinsson riss sich widerwillig von seinem Bild in dem großen Spiegel hinter Waltins Rücken los und schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte Martinsson. »Das war Göransson.«
    Göransson schaute seinen jüngeren Kollegen wütend an.
    »Und wann habt ihr diese Position bezogen?«, fragte Waltin harmlos.
    »So gegen achtzehn Uhr dreiundvierzig«, sagte Göransson. »Circa achtzehn dreiundvierzig ungefähr.«
    Das wird ja immer besser, dachte Waltin, aber das sagte er nicht.
    »Und was ist dann passiert?«, fragte Waltin neugierig und beugte sich über seinen Schreibtisch vor, um sein Interesse noch zu betonen.
    Rein gar nichts, wenn man den beiden Verschworenen glauben durfte. Sie hatten einfach dagesessen – zwar auf dem Vordersitz eines Dodge-Kastenwagens, aber doch so wachsam wie zwei Adler –, bis ihr Funkgerät sich gemeldet und ihnen mitgeteilt hatte, sie dürften jetzt Feierabend machen, und das war nach zehn Uhr gewesen.
    »Um zweiundzwanzig null acht«, präzisierte Göransson mit erneutem Räuspern und nach einem weiteren Blick in sein schwarzes Büchlein.
    »Das steht alles in unserem Ermittlungsbericht«, kam Martinsson dienstbeflissen zu Hilfe. »In dem üblichen Ordner.«
    »Aber das ist doch ganz hervorragend«, sagte Waltin, nickte und ließ sich zurücksinken. Da lügen sie mit der ganzen Routine, die ihr lob ihnen verpasst hat, dachte er, und jetzt müssen wir sie nur noch loswerden, ehe ihre natürliche Einfalt, die sie für diesen Job prädestiniert hat, mir nun noch mehr Ärger bereitet.
    »Ich habe einen Spezialauftrag für die Herren«, sagte Waltin. »Einen sehr weit greifenden, im Ausland, kann eine Woche dauern, vielleicht auch zwei. Es ist nämlich so, dass das Außenministerium Hilfe bei einer diskreten kleinen Überwachung einer ziemlich gemischten Politikergruppe braucht, es sind Leute aus dem Ministerium und vom Militär, und ich brauche zwei Leute, auf die ich mich wirklich verlassen kann. Auf Biegen und Brechen«, fügte er mit ernster Miene hinzu.
    »Ja«, sagte Göransson »Wir hören, Chef.« Die Vorstellung von fetten Auslandszulagen hatte seine trägen Augen zum Leben erweckt.
    »Ausland«, nickte Martinsson, der jünger war und dem es schwerer fiel, seine Begeisterung zu verbergen, und der in Gedanken bereits seine Badehose einpackte.
    »Wir können in zwei Stunden am Flughafen sein, mit gepackten Koffern und abflugbereit«, stimmte Göransson dienstbeflissen zu.
    »Das ist sicher nicht nötig«, sagte Waltin trocken. »Es reicht, wenn ihr kurz vor sechs am Hauptbahnhof seid.« Zur Weiterbeförderung an einen Ort, wo es keine Hamburger gibt und wo ihr euch garantiert den Arsch abfriert, dachte er, aber das sagte er nicht.
    »Zug«, rief Göransson, und das Licht in seinen Augen war wieder verloschen.
    »Zug«, wiederholte Martinsson, der so mitgenommen war, dass er vergaß, seine Reaktion in Waltins Spiegel zu überwachen.
    »Ich glaube, es wird eine überaus interessante Reise werden«, sagte Waltin und nickte voller Überzeugung, »ihr werdet unterwegs auf dem Laufenden gehalten, auf einer need-to-know-Basis.«
    Das wird garantiert eine fantastische Reise, dachte er. Mitten im eiskalten Winter mit einem dieser schönen, alten, russischen Züge und mit dem ganzen Service, der die Gastgeber bei ihren westlichen Besuchern berüchtigt machte.
    »Wenn einer eine Reise tut, dann kann er meistens was erzählen«, sagte Waltin mit freundlichem Lächeln. »Außerdem hat das Außenministerium bereits dafür gesorgt, dass ihr euch wegen des Visums keine Gedanken zu machen braucht«, fügte er tröstend hinzu.
    Nachmittags hatte Waltin sich diskret nach dem Stand der Ermittlungen in Bezug auf Krassners Tod erkundigt. Sein Kontaktmann, der mit dem Zuständigen bei der Stockholmer Polizei gesprochen hatte, meinte, die Ermittlungen seien bereits abgeschlossen. Es standen nur noch einige praktische Details aus, und für die war die Wache in Östermalm zuständig.
    »Scheint sich um einen ziemlich typischen Selbstmord zu handeln. Wie immer man es über sich bringt, aus dem fünfzehnten Stock zu springen, aber er war ja Student, und da hatte er sicher einen sitzen«, sagte

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