Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
hatte, entzog sich Waltins Beurteilung. Aber wie auch immer, diese Frage fiel nicht in ihr Ressort. Krassner war kein Sicherheitsproblem mehr und war es eigentlich auch nie gewesen. So sah Waltin das auf jeden Fall.
»Wenn wir uns überhaupt Vorwürfe machen sollten, dann wohl deshalb, dass uns nicht wirklich aufgegangen ist, wie verrückt er war«, sagte Waltin und zuckte mit den Schultern. »Der Kerl scheint ja total verwirrt gewesen zu sein. Ich schlage vor, du siehst dir mal seine Papiere an.« Waltin schob Berg die Fotos zu.
Darauf kannst du Gift nehmen, dachte Berg.
»Wo stecken Göransson und Martinsson«, fragte er.
»Im Bildungsurlaub«, sagte Waltin und grinste. »Ich hielt es für richtiger, sie erst mal aus dem Spiel zu nehmen.«
»Wie viel wissen sie?«, fragte Berg.
»Sie wissen nicht, dass Krassner sich umgebracht hat«, antwortete Waltin. »Vermutlich werden sie das früher oder später erfahren. Sie wissen nicht einmal, dass sie gepatzt haben. Und sie haben natürlich keine Ahnung, dass ich weiß, was sie getrieben haben, statt ihre Arbeit zu tun.«
Berg begnügte sich mit einem Nicken.
»Eriksson?«, fragte Berg.
»Behält die Lage im Auge. Ich will sie nach Hause holen, sowie Stockholm Krassner abgeschrieben hat. Ich habe ihr gesagt, dass sie sich aus dem Ganzen heraushalten soll.« Um die brauchst du dir keine Sorgen zu machen, dachte Waltin.
Wieder nickte Berg.
Ich und Waltin, dachte er. Das macht zwei. Und Göransson, Martinsson und Eriksson, macht fünf. Und Waltins Mann vor Ort, wer immer es gewesen sein mag, was übrigens auch noch eine Frage war, die zumindest Zeit hatte, das alles ergab sechs Personen. Und Forselius, dachte er, und plötzlich waren das viel zu viele. Was sagen diese Motorradgauner doch immer?, dachte er. Dass drei ein Geheimnis bewahren können, wenn zwei tot sind?
Kaum hatte Waltin ihn verlassen, da war er zu seiner Sekretärin gegangen und hatte sie gebeten, ihm ein Taxi zu rufen. Die Vorstellung, noch im Büro zu bleiben, hatte er sich aus dem Kopf geschlagen. Lieber wollte er zu seiner Frau nach Bromma fahren und die Lage in aller Ruhe durchdenken. Vielleicht versuchen, darüber zu schlafen und bestenfalls in einem schönen Traum den Eindruck gewinnen, dass Waltin vielleicht Recht hatte, trotz dieser Nonchalance, die wohl den hauptsächlichen Bestandteil seines jungenhaften Charmes ausmachte.
»Sind irgendwelche Gespräche eingegangen?«, fragte Berg und versuchte sie freundlich anzulächeln. Ein Fels, dachte er. Ein wirklicher Fels in der Brandung.
»Der Sonderbeauftragte des Ministerpräsidenten möchte so bald wie möglich angerufen werden«, sagte sie.
Acht, dachte Berg düster.
Dienstag, 26. November
Nächtliche Grübeleien, zu wenig Schlaf, aber als er am frühen Morgen im Büro erschien, stellte sich heraus, dass er noch einige Tage Frist hatte. Der Sonderbeauftragte rief an, er habe ein Treffen vorschlagen wollen, sei nun aber verhindert und mit politischen Erwägungen beschäftigt, die ihre Zeit dauern könnten. Deshalb habe er mit dem Justizminister gesprochen, und der werde sich später an diesem Tag persönlich bei Berg melden, und sie hätten beschlossen, die allwöchentliche Besprechung auf den Freitag zu verlegen. Kein günstiger Tag natürlich, aber wenn er und Berg sich eine Stunde vorher treffen könnten, wäre das ganz hervorragend.
»Am Wochenende hat mich ein alter Freund angerufen und Bericht erstattet«, sagte der Sonderbeauftragte.
Ob der vielleicht Forselius heißt?, überlegte Berg, und, meine Güte, du bist ja plötzlich mitteilsam geworden.
»Das ist überhaupt kein Problem«, sagte Berg. »Ich kann um neun Uhr morgens.«
»Sehr gut«, erklärte der Sonderbeauftragte. »Wenn etwas sein sollte, bin ich unten in Harpsund zu erreichen.«
Berg hatte versprochen, sich in einem solchen Fall sofort zu melden. Die da oben und wir hier unten, hatte er gedacht, als er den Hörer auflegte.
Berg hatte sich den ganzen Tag mit Krassner beschäftigt. Zuerst hatte er zwar mit dem Gedanken gespielt, alles einem seiner vertrauteren Mitarbeiter zu überlassen, aber nach sorgfältiger Überlegung – etwas an dieser Geschichte gefiel ihm einfach nicht so recht – hatte er beschlossen, die Sache selber zu übernehmen. Zumindest für den Anfang und bis er sicher sein konnte, dass sie sich nicht in die falsche Richtung bewegte.
Zuerst hatte er sich die Aufnahmen der geheimen Hausdurchsuchung in Krassners Studentenbude angesehen. Es
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